Verein gegen die Diskriminierung von Hund und Halter e.V.

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Beschwerde gegen die Bild-Berichterstattung


An denDeutschen Presserat

Beschwerde gegen die Bild-Berichterstattung
- Kampagne für das Verbot der "15 gefährlichsten Hunderassen" -
Verstoß gegen den Pressekodex, Ziffern 1,2,3,9


Sehr geehrte Damen und Herren,

am 13.04.00 wurde durch die BILD-Zeitung eine Kampagne - für das Verbot der 15 "gefährlichsten Hunderassen" - eingeleitet. Völlig polemisch und tendenziös wurden Tatsachen verdreht und Unwahrheiten verbreitet, einzig und allein mit dem Ziel, nicht nur die Meinung unaufgeklärte Bürger negativ zu beeinflussen, sondern in erster Linie um die zum 04. und 05.05.00 terminierte Konferenz der Innenminister bzw. die dort anwesenden Entscheidungsträger massiv unter Druck zu setzen.

Diese verantwortungslose, auf vorsätzliche Falschberichterstattung aufbauende Stimmungsmache der BILD zeigt inzwischen extreme Resultate. Öffentliche Anfeindungen gegen alle integeren und verantwortungsbewußten Hundehalter und maßloses Elend auf Seiten der betroffenen Tiere. So verlieren z. B. Hundehalter ihre Wohnungen, werden auf offener Straße angepöbelt und bedroht, bis hin zu versuchten und ausgeführten Mordanschlägen auf Hunde der von BILD stigmatisierten Rassen. Diese Art von "Berichterstattung" ist eine Schande für alle seriösen Vertreter der Presse.

Diese Beschwerde wird durch eine Unterschriftensammlung bisher von über 3000 Hundefreunden unterstützt. Die Unterschriftenlisten werden Ihnen in Kopie mit gesonderter Post zugestellt.

Zur Begründung unserer Beschwerde liegt Ihnen als Anlage eine eingehende Erläuterung bei. Wir hoffen sehr, dass die von BILD betriebene Art der Berichterstattung - in ihrer Gesamtheit oder doch zumindest in einzelnen Punkten - dem Deutschen Presserat Anlass sein mag, eine Rüge auszusprechen.


Mit freundlichen Grüßen

Henkenjohann, 1. Vorsitzender

Kopie an: IG-Medien und verschiedene Medienvertreter Anlage: [1]

"Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt."
Mahatma Gandhi





Anlage 1


Erläuterung zur Beschwerde gegen die BILD-Berichterstattung

Betr.: Beschwerde gegen die BILD-Berichterstattung, Kampagne für das Verbot der "15 gefährlichsten Hunderassen" Verstoß gegen Pressekodex, Ziffern 1, 2, 3, 9

Ziffer 1
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Ziffer 2
Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Dokumente müssen sinngetreu wiedergegeben werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Ziffer 3
Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtigzustellen.

Ziffer 9
Es widerspricht journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen.

BILD startete am 13. April mit der Titel-Schlagzeile "Kampfhund-Terror/ Stoppt endlich diese Bestien!" eine Kampagne für das Verbot der "15 gefährlichsten Hunderassen". Bis zum 6. Mai hielt die BILD dieses Thema fast täglich in großer Aufmachung (2/3 Seiten, mehrmals Titelschlagzeilen) intensiv am Kochen. Innerhalb dieser Berichterstattung wurden mehrfach eindeutig falsche Behauptungen aufgestellt, darüber hinaus beruht die gesamte Unterschriftenkampagne auf wahrheitswidrigen Informationen. Aufgrund der vielfach wiederholt aufgestellten falschen Behauptungen sowie des hohen politischen Stellenwerts, den BILD dieser Kampagne einräumte, kann nicht von einfacher Sorgfaltsverletzung oder leider üblicher Recherche-Schlamperei ausgegangen werden. Unseres Erachtens stellt die o.g. Kampagne eine bewusste Falschinformation der Leser und somit einen besonders schweren Verstoß gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex dar. Abweichende Meinungen wurden konsequent ignoriert und verschwiegen, Gegendarstellungen nicht abgedruckt. (Ziffer 3) Zudem wurde mit dem Abdruck eines Interviews unter der Überschrift "Kampfhund-Besitzer - was sind das eigentlich für Menschen" gegen Ziffer 9 verstoßen. Die Ausführungen des interviewten Psychologen pauschalisieren und diffamieren in verantwortungsloser und unwissenschaftlicher Weise die psychischen Befindlichkeiten von Menschen, die Halter eines Hundes bestimmter Rasse sind. Mit der Veröffentlichung dieser "unbegründeten Beschuldigungen" ist die Ehrverletzung vieler unbescholtener Bürger zumindest billigend in Kauf genommen worden. Darüber hinaus wurden während der gesamten Kampagne niemals aufklärerische Informationen zu tatsächlichen hundlichen Verhaltensweisen und Tips zur Vermeidung von Missverständnissen und/oder Zwischenfällen veröffentlicht. Angesichts der gleichzeitigen Panikmache ist das Fehlen jeglicher Aufklärung nur als gefährliche Verunsicherung der Leser zu werten. Zwischenfälle mit Hunden, die durch panisch fliehende, um sich tretende oder schreiende Menschen erst provoziert werden, werden von BILD dabei anscheinend billigend in Kauf genommen.

Fakten und Erläuterungen:

Am 17. April stellte die BILD ihren "ersten BILD-Bürgerentscheid" vor. Praktisch handelte es sich um eine Unterschriftensammlung für das Verbot von 15 Hunderassen in Hamburg. Dieser "Bürgerentscheid" war von Anfang an und ganz konsequent auf einer entscheidenden Täuschung aufgebaut: Den Leserinnen und Lesern wurde weisgemacht, es gehe lediglich um die Übertragung von Gesetzen, die in anderen Bundesländern schon in Kraft sind oder die dort für die allernächste Zeit beabsichtigt sind, auf Hamburg. "Wann gilt sie endlich auch in Hamburg?", mit diesen Worten präsentierte BILD am 18. April ihre Verbotsliste als Hundesteckbrief. Viele der Unterschreibenden wären höchstwahrscheinlich zurückgeschreckt oder hätten die Forderungen der BILD zumindest aufmerksamer durchgelesen, wenn ihnen klar gewesen wäre, dass diese in ganz Deutschland und darüber hinaus sogar weltweit absolut einmalig sind.

Es gibt in zwei Bundesländern (Bayern und Brandenburg) sowie in einigen Städten Listen, die 14 Hunderassen als gefährlich einstufen. Diese Listen enthalten als eine der unter Sonderrecht gestellten "Kampfhundrassen" den Rhodesian Ridgeback, der in der von der BILD publizierten Schwarzen Liste (O-Ton) jedoch nicht auftaucht. Warum? Weil die Liste der BILD sich am derzeitigen Vorhaben der Berliner SPD orientiert. Und die hat aus irgendeinem Grund, über den man nur Mutmaßungen anstellen kann, den Rhodesian Ridgeback aus dem Verbotskatalog gestrichen. Dafür stehen jetzt Rottweiler und Dobermann auf der Verbotsliste, die die Berliner SPD und in deren Fußstapfen auch die BILD durchsetzen will.

Beide Hunderassen gelten aber nirgendwo in Deutschland oder im Ausland als "Kampfhunde", beide sind auf der ganzen Welt nirgendwo verboten. Trotzdem behauptete die BILD am 18. April total wahrheitswidrig, Dobermann und Rottweiler seien 1992 in Bayern und 1998 in Brandenburg auf die Verbotsliste gesetzt worden. Zahlreiche Proteste und Richtigstellungen von Hundehaltern und Verbänden gegen diese Infamie wurden von der BILD völlig ignoriert. Die BILD-Redaktion Düsseldorf war sich auch nicht zu schade, neben einem Interview der Ministerin Bärbel Höhn (NRW) eine versteckte Anleitung zur Tötung von Hunden zu veröffentlichen. Empfohlen wurde hier: Rasierklingen in Wurstköder.

Am 19. April verkündete BILD auf der Titelseite: "Berlin verbietet Kampfhunde". Frei erfunden! Es gibt zwar - nicht erst aufgrund der BILD-Kampagne, sondern schon seit Januar 1999 ein entsprechendes Vorhaben der SPD. Diesem Plan haben aber die anderen Parteien, insbesondere auch die CDU als bei weitem stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus, eine eindeutige Absage erteilt. Für die Falschmeldung vom 19. April gab es also überhaupt keine Grundlage.

Am 25. April schrieb die BILD, ebenfalls falsch: "In Berlin hat der Senat bereits ein Verbot für die 15 Kampfhunderassen beschlossen".

Am 28. April triumphierte BILD in ganz großer Aufmachung: "Erster Sieg der BILD-Leser: Kampfhund-Verbot in NRW". Angeblich war die nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn vom Erfolg der BILD-Kampagne so "sichtlich beeindruckt", dass sie gleich versprochen hatte: "Ich erlasse umgehend ein Verbot für Kampfhunde!" Dieses solle, so behauptete BILD, gleich nach der Landtagswahl (14. Mai) in Kraft treten. Abgesehen davon, dass in einem Rechtsstaat die Gesetzgebung doch nicht ganz so schnell und einfach läuft, wie die BILD-Chefredaktion sich das anscheinend vorstellt, war der entscheidende Inhalt der in NRW von der Landesregierung geplanten Verordnung in der BILD völlig falsch dargestellt: "Generelles Zucht- und Importverbot der 15 Kampfhunderassen". - Nachfrage beim Ministerium der Frau Höhn ergab: BILD berichtet schon wieder völlig falsch. Nicht die von der BILD angeprangerten 15 Hunderassen sollen auf die Schwarze Liste, sondern der Pitbull und zwei weitere Rassen. Auch für diese drei Rassen aber kein "Generelles Zucht- und Importverbot". Dass Frau Höhns Ministerium eine solche Verordnung in Arbeit hat, war im übrigen schon mehrere Wochen vor Beginn der BILD-Kampagne bekannt. BILD versucht sich dies lediglich nachträglich als Sieg an seinen Fahnen zu heften, um ihre Leserinnen und Leser mit der politischen Macht zu beeindrucken, die "ihre" Zeitung angeblich hat.

Der gleiche Versuch wurde noch ein Mal nach der Konferenz der Länderinnenminister wiederholt: Als "Riesenerfolg der BILD-Aktion gegen Kampfhunde" wurde die Konferenz auf der Titelseite (Bild, 6. Mai) verkauft. Auf der Seite 2 war dann als angeblicher Beschluß der Innenminister zu lesen: "Die Zucht bestimmter Kampfhund-Rassen wird verboten. Darunter fallen beispielsweise Pitbull Terrier, Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Bulldoggen, Bordeauxdogge, Rottweiler, Dobermänner, Fila Brasileiros, Mastinos, Ban-Dogs, Römische Kampfhunde und Dog-Argentinos".

Abgesehen von den krassen Fehlleistungen bei der Benennung und Schreibweise der einzelnen Hunderassen sticht in diesem Katalog die Bulldogge hervor, die von der BILD selbstständig in die Liste hineinphantasiert wurde. Ohnehin war aber die ganze Meldung wieder einmal total falsch: Die Länderinnenminister hatten konkret überhaupt nichts beschlossen, und von bestimmten Rassen war nicht in verbindlicher Form die Rede. Erkennbar wurde allenfalls eine vorherrschende Absicht, Maßnahmen gegen Pitbull-Terrier und etwa drei andere Hunderassen zu ergreifen. Insbesondere das Verbot von Rottweiler und Dobermann war für die Innenministerkonferenz aber überhaupt kein Thema.

Auch mit der Zahl der Beißattacken durch Hunde betreibt BILD massive Manipulation und Desinformation. Wer sich mit der Problematik näher befasst, steht fassungslos vor der Tatsache, dass es zwar schon seit mehr als zehn Jahren eine hoch emotionalisierte Polemik gegen "Kampfhunde" und regional unterschiedliche Gesetzesmaßnahmen gibt, aber dass bis heute keine zusammenfassende Statistik für ganz Deutschland und schon gar nicht eine brauchbare Ursachenforschung existiert. Die beste Statistik ist immer noch die des Deutschen Städtetages, an der sich die Städte aber nur auf freiwilliger Basis und mit jeweils eigenen Differenzierungs- und Untersuchungskriterien beteiligen. Erst in den allerletzten Jahren haben einige Städte damit begonnen, die Beteiligung einzelner Hunderassen an Zwischenfällen statistisch zu erfassen.

BILD nennt zum Thema "Kampfhunde-Attacken" nur sehr selten konkrete Zahlen. In erster Linie wird durch groß aufgemachte Herausstellung einzelner Zwischenfälle das Gefühl einer ständig präsenten, riesigen Bedrohung aufgebaut. Diese Art der Berichterstattung wird auch durch ältere Vorfälle, die aber als scheinbar aktuelles Geschehen dargestellt werden, und sogar durch Zwischenfälle im Ausland angereichert. Auch entsprechen die Bezeichnungen der Hunderasse und der dargestellte "Tathergang" selten dem tatsächlichen Sachverhalt. Die einzige Gesamtzahl, die BILD während ihrer Kampagne im April und Mai nannte, war so ungeheuer falsch, dass jedes normale Maß des journalistisch Unzumutbaren gesprengt wurde: "35.000 Menschen wurden letztes Jahr von diesen Killern auf vier Beinen angegriffen, oft zu Krüppeln gebissen. Täglich neue Schreckensmeldungen. Und jedes dritte Opfer ist ein Kind." (Bild, 25. April)

Der Städtetag gibt die Summe sämtlicher "Zwischenfälle mit Hunden" im Verlauf von fünf Jahren, 1991 bis 1995, mit 21.126 an. Diese Zahl beinhaltet alle der Polizei gemeldeten Zwischenfälle, auch Bagatellen, und insbesondere auch Beißereien zwischen Hunden. Den Anteil der Zwischenfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen, gibt der Städtetag für den Fünfjahres-Zeitraum mit 8.356 an. Davon werden 76 Prozent als leicht, 20 Prozent als mittelschwer, und nur 4 Prozent als schwer bezeichnet. (Hamburger Abendblatt, 6. Mai). Demnach läge die Gesamtzahl der mittleren und schweren Körperverletzungen durch Hunde im Jahr bei etwas über 400 Fällen. Hiervon entfallen aber laut Statistik des Städtetages auf die in Bayern und Brandenburg verbotenen 14 Rassen nur knapp 10 Prozent, also 40 Fälle im Jahr. Die Zahl der Menschen, die in einem Jahr durch Hunde zu Tode kommen, schwankt etwa zwischen 1 und 4. Überwiegend handelt es sich bei den vierbeinigen "Tätern" von Angriffen mit Todesfolge um isoliert gehaltene Hunde (Zwinger, Garten), wobei die Opfer oft der eigenen Familie oder deren Bekanntenkreis entstammen. Typisches Beispiel: Kleinkind betritt in einem unbeaufsichtigten Moment den Zwinger, in dem sich eine Mutterhündin mit Welpen befindet.

Die von der BILD produzierte Suggestion, es könnte sich in jedem Moment ein Amok laufender "Kampfhund" im "Blutrausch" auf Kinder, Greise oder andere Menschen stürzen, um sie zu zerfleischen, ist fern jeder Realität. Soweit diesem Unsinn dennoch geglaubt wird, ist er geeignet, jede Annäherung eines Hundes mit Angst, sogar mit Panik, und mit völlig falschen Reaktionen und Signalen zu verbinden. Aus der, zugegebenermaßen nicht immer erfreulichen körperlichen Annäherung eines verspielten, neugierigen Junghundes, wird so in der überhitzten Phantasie etlicher Menschen ein "aggressives Anspringen", auf das man mit hektischem Wegreißen des eigenen Kindes, Flucht oder sogar mit Tritten reagiert. Wer statt sorgfältiger Aufklärung Angstparolen verbreitet wie beispielsweise: "Wenn Sie diesen Hunden auf der Straße begegnen, ist Vorsicht angebracht" (BILD, 18. April) provoziert Missverständnisse, aus denen sich Beißvorfälle entwickeln können. Der zitierte Satz stand, fettgedruckt, über dem Steckbrief, mit dem BILD die 15 "gefährlichsten Kampfhunderassen" vorstellte. Wie das massive Schüren von Ängsten und Vorurteilen oft erst die Beiß-Zwischenfälle hervorruft, die dann beklagt werden, sei an einem Beispiel demonstriert.

Am 26. April meldete BILD: "Beiß-Attacke auf Spielplatz - Kampfhund war nicht angeleint!". Der "Täter" - ein offensichtlich blutjunger Pitbull, dem Foto nach zu urteilen - war auf einen Spielplatz gelaufen. Angeblich hatte er in den Reifen gebissen, mit dem zwei Jungen von 7 und 9 Jahren gerade schaukelten; außerdem soll der Hund dabei auch geknurrt und gebellt haben - höchstwahrscheinlich eine ganz normale Spielaufforderung, die von den Kindern falsch interpretiert wurde. Sie versuchten, vor dem vermeintlich gefährlichen Hund zu "flüchten", indem sie an den Eisenketten nach oben kletterten, an denen der Reifen befestigt war. Einer der Jungen wurde dabei von dem Hund, der dieses "Spiel" offenbar sehr spannend fand, leicht am Bein verletzt.

Eine Woche vorher, am 18. April, hatte BILD auf der Titelseite die Schlagzeile: "Kampfhunde/ Killer-Training auf Hamburgs Spielplätzen". Dort hieß es: "Der Kampfhund-Terror in Hamburg - unsere Kinder in höchster Gefahr!" Eltern seien "in Angst um ihre Kinder". Überschrift des Artikels im Innenteil der Zeitung: "Kampfhunde auf Spielplätzen - muss die Polizei unsere Kinder schützen?" - Ergebnis der Verunsicherung: Kinder, die nicht nur die Körpersprache eines spielenden jungen Hundes total missdeuten, sondern die dann auch noch auf ganz verkehrte Weise reagieren. Hat ihnen das kein Erwachsener jemals erklärt? Lassen Eltern ihre Kinder etwa genau so unaufgeklärt in den Straßenverkehr laufen?

Es ist bemerkenswert, dass die BILD, die sich angeblich um das Wohl der Kinder sorgt, im Lauf der letzten Jahre nicht einen einzigen Artikel veröffentlicht hat, der sich aufklärend mit dem Verhalten und der Körpersprache der Hunde beschäftigt und zur Vermeidung gefährlicher Missverständnisse beigetragen hätte.

Dass jedes dritte Opfer von Hundebissen ein Kind sei, hat die BILD immer wieder geschrieben. Richtiger wird diese Behauptung dadurch aber auch nicht. Sie stammt vom Deutschen Kinderschutzbund und ist frei erfunden bzw. nach völlig unerfindlichen Kriterien "geschätzt". Die einzigen halbwegs verlässlichen Zahlen sind auch in diesem Fall den Veröffentlichungen des Deutschen Städtetages zu entnehmen. Dieser kommt auf Grundlage der von vielen Städten gelieferten Statistiken in seinem letzten Bericht zu folgender Schlussfolgerung: "Der Anteil der von Körperverletzungen (gemeint: durch Hunde) betroffenen Kinder (bis zu einem Alter von 14 Jahren) ist rückläufig. Während im Jahre 1991 im Westen eine Beteiligung von Kindern von rund 16% zu verzeichnen war, lag diese im Osten - allerdings auf der Basis von lediglich 39 Städten - bei immerhin 33,6%, so daß die nunmehr ermittelten 17% für Gesamtdeutschland einen klaren Rückgang darstellen." (DST-Beiträge zur Kommunalpolitik, Heft 2/99, Der Stadthund - Anzahl - Steuern - Gefährlichkeit, S. 55)

Bleiben wir bei den Untersuchungen des Städtetages, da diese bei weitem das umfangreichste und verlässlichste Material zur Problematik der von Hunden ausgehenden Gefährdungen bieten. Entgegen den Behauptungen der BILD, es gebe in letzter Zeit einen dramatischen Anstieg der Beiß-Vorfälle, kommt die bereits zitierte Untersuchung des Städtetages zu einem ganz anderen Ergebnis: "Nach wie vor gilt die Feststellung, daß der immer wieder - namentlich durch Berichte in den Medien - zu verzeichnende Eindruck, Hunde in Deutschland seien zu einem hohen Anteil gefährlich, aufgrund der tatsächlichen Zahlen der Vorfälle nicht zutrifft. Addiert man sämtliche von den rund 250 an der Umfrage beteiligten Städten genannten und z.T. auf der Basis eines oder mehrerer Jahre hoch gerechneten Zwischenfälle mit Hunden auf den als Berechnungsgrundlage dienenden Fünfjahreszeitraum von 1991 bis 1995, kommt man auf eine Durchschnittszahl von 85, d.h., eine Fallzahl von jährlich 17 und damit monatlich etwa 1,5 Fällen. Vergleicht man dies mit dem ersten Erhebungszeitraum von 1987 bis 1990, hat sich die Gefährlichkeit von Hunden - Städte aus Ost und West zusammengerechnet - mehr als halbiert." (ebenda, S. 53)

Einige Beispiele sollen im Folgenden demonstrieren, wie BILD Ereignisse so stark verfälscht, dass sie das gewünschte Bild von den überall und jederzeit sprungbereit lauernden "Kampfhunden" erzeugen, das BILD mit dem Oberbegriff "Kampfhund-Terror" anstrebt.

Der Startschuß zur BILD-Kampagne fiel am 13. April mit der Titel-Schlagzeile: "Kampfhund-Terror/ Stoppt endlich diese Bestien!" In der Überschrift des Artikels hieß es dann: "Zwei Rottweiler terrorisieren ein ganzes Viertel. Wieder brachen sie aus". Und die Einleitung des Artikels: "Es reicht. Hunde, die wie Wölfe jagen, müssen eingeschläfert werden". Passiert war offenbar folgendes: Die beiden Rottweiler waren aus dem umzäunten Grundstück ihres Besitzes ausgebrochen. Sie begegneten einer Frau, die ihren Westhighland-Terrier ausführte. Wahrscheinlich kam es zu einem kleinen Streit zwischen den Hunden (von Verletzungen des Terriers stand in der BILD kein Wort), der die Frau veranlasste, dazwischenzugehen und ihren Hund an sich zu reißen. Die Frau wurde anschließend durch die nachspringenden Hunde leicht verletzt (am Kinn und am Oberarm) und dann von einem vorbeikommenden Autofahrer mitsamt ihrem Terrier aufgenommen. Der Rest im O-Ton der BILD: "Die wilden Rottweiler verlieren die Blutwitterung. Sie jagen weiter durch Wandsbek, auf der Suche nach neuen Opfern...Man muss es deutlich sagen: Es hätte den Hunden in diesem Moment auch ein Kind entgegenkommen können. Und es ist gut vorstellbar, was dann passiert wäre. So aber kommen den Bestien 'nur' zwei weitere kleine Hunde in den Weg. Sie werden sofort gerissen..." - Die Rottweiler wurden schließlich von der Polizei eingefangen und dem Besitzer zurückgegeben. Die Behauptung, die Hunde seien auch früher schon ein Mal ausgebrochen, sind bestenfalls nicht nachprüfbare Aussagen von Nachbarn gegenüber den BILD-Reportern - oder vielleicht sogar erst einem Geistesblitz in der Redaktionskonferenz entsprungen. Ähnlich steht es wahrscheinlich um die beiden angeblich getöteten kleinen Hunde, deren Besitzer in der BILD seltsamer Weise niemals aufgetaucht sind. Und: Da die Hunde angeblich "im Blutrausch", "auf der Suche nach neuen Opfern" durch den Stadtteil getobt sind, ohne irgendjemanden anzufallen, waren wohl gerade keine Menschen auf der Straße?

Am 17. April präsentierte BILD auf der Titelseite ihr "Bürgerbegehren" mit den Sätzen: "ES REICHT! Wieder ist in Hamburg ein Mann von einem Rottweiler angefallen worden...". - Erst auf Seite 3 wurde den Leserinnen und Lesern mitgeteilt, dass dieser Vorfall sich nicht etwa auf Hamburgs Straßen oder in einem Park zugetragen hatte, sondern im Heim des Tierschutzvereins an der Süderstraße. Überhaupt nicht erwähnt wurde, dass sich der bedauerliche Vorfall nicht etwa, wie suggeriert wurde, gerade eben gestern oder vorgestern, sondern schon vor mehreren Wochen ereignet hatte. Ein Mann, der sich als Geschenk für seinen drei Jahre alten Sohn (O-Ton BILD) einen Rottweiler aus dem Tierheim holen wollte, war beim Probelaufen mit dem Hund auf dem Gelände des Tierheims gebissen worden. Der Vorfall kann vielleicht als Ausdruck dafür gelten, dass wochenlange Isolation im Zwinger für die meisten Hunde einen Stress bedeutet, dem sie nicht immer gewachsen sind und der zu unberechenbaren Verhaltensweisen führen kann. Zum Thema "Kampfhunde" trägt er darüber hinaus aber nichts bei.

Ebenfalls am 17. April berichteten BILD unter der Überschrift "Hundekämpfe neben dem Tierheim?" über die Kleine Anfrage des SPD-Bezirksabgeordneten Mathias Oldhaver, "ob es stimmt, dass auf dem 'Hundeübungsplatz' in der Süderstraße Hundekämpfe stattfinden". BILD zitierte Herrn Oldhaver: "Nach Aussagen von Bürgern sollen auf dem Übungsplatz neben dem Tierheim regelmäßig Hundekämpfe beziehungsweise ähnliche Schauveranstaltungen stattfinden, bei denen Kaft und Aggression der Hunde demonstriert wird.", und schrieb dann weiter: "Vor diesem Hintergrund fragt die SPD-Fraktion den Bezirksamtsleiter, welche Aktivitäten auf dem Übungsplatz Süderstraße durchgeführt werden, wer die Aufsicht führt und welche Kontrollen dort stattfinden." Das von der BILD als "Hundeübungsplatz" bezeichnete Gelände gehört einem ganz normalen Verein für Hundesport, dem Polizeihundesportverein Bille von 1925 e.V. (PHV). Ein entsprechendes Namensschild steht direkt an der Süderstraße, am Eingang zum Hundesportplatz. Eine Ortsbesichtigung durch einen Reporter oder ein kurzer Anruf beim Geschäftsführer des benachbarten Tierheims, mit dem die BILD sonst oft gut zusammenarbeitet, hätte den Sachverhalt schnell geklärt. Zum jedenfalls fahrlässigen, mutmaßlich aber auch böswilligen Verzicht der BILD auf Überprüfung der Vorwürfe durch eigene Recherchen kommt erschwerend hinzu, dass das Blatt die wiederholten Richtigstellungen seiner rufschädigenden Falschmeldung durch den Hundesportverein einfach ignorierte.

Am 22. April ließ BILD unter der Überschrift "Kampfhund-Besitzer - was sind das für Menschen" Professor Dr. Stefan Schmidtchen von der Uni Hamburg als Gefälligkeitsgutachter zu Wort kommen. Zu der in der Überschrift bezeichneten Problematik gibt es keine Forschung, die begründete Aussagen erlauben würde. Ohnehin könnte es sich dabei nur um unzulässige Verallgemeinerungen handeln, da die Besitzer der von BILD als "Kampfhunde" diskriminierten 15 Rassen individuell völlig verschieden sind. Herausgekommen ist das, was angesichts der Voreingenommenheit der BILD-Kampagne von vornherein als Ergebnis fest stand und was man am deutschen Stammtisch auch ohne Professur sofort verkünden würde: "Ganz simpel: Harte Jungs brauchen harte Hunde."

BILD Hamburg, 22. 4. 00 - (v. Daniel Böcking)

Die Herrchen von Kampfhunden - oft blicken wir in finstere Gesichter... Was treibt Menschen dazu, sich eine beißwütige Bestie zu halten? Professor Dr. Stefan Schmidtchen (57), Psychologisches Institut der Uni Hamburg. "Hunde dienen oft als Ersatzbefriedigung. So, wie ein einsamer Mensch einen Schmusehund mag, benutzen manche Leute Kampfhunde, um sich mächtig und stark zu fühlen." Anerkennung durch einen Hund? "Das trifft häufig zu. Der Wunsch nach Anerkennung ist unterbewusst bei jedem vorhanden. Im Wilden Westen liefen die Cowboys mit Revolvern herum, um zu beeindrucken. Heute sind solche Hunde die legale Waffe." Also versuchen Kampfhundhalter nur, sich ein Image aufzubauen? "Genau. Ganz simpel: Harte Jungs brauchen harte Hunde." Viele Halter sagen aber: "Mein Hund ist ein ganz Lieber!" "Das liegt daran, dass sie sich in einem Zwiespalt befinden: Ihr innerer Antrieb verlangt nach diesem Machtsymbol. Doch das Gewissen sagt: Du musst diesen Aggressionsdrang unterdrücken, beherrschen." Und wenn der Kampfhund tatsächlich friedlich ist? "Das Argument, dass der Kampfhund ein friedlicher sportlicher Partner ist, lehne ich ab. dann soll man sich einen harmloseren Hund zulegen. Jeder weiss - zumindest unterbewusst - dass er mit so einem Tier seine Mitmenschen verängstigt."

Während der Herr Professor in der Beantwortung der ersten beiden Fragen, durch die Benutzung der Wörter "manche" und "häufig" noch Raum für gewisse Differenzierungen lässt, werden Hunde wie Besitzer in den weiteren Statements nur noch pauschal zur gefährlichen "Masse" erklärt. Zur Überprüfung dieser Aussagen hätte die BILD-Redaktion nicht nur die Möglichkeit, sondern selbstverständlich die Verpflichtung gehabt, die Studien von Hunde-Experten heranzuziehen, die übrigens übereinstimmend zum Ergebnis kommen, dass es eine an bestimmten Hunderassen festzumachende besondere Gefährlichkeit nicht gibt. Es kennzeichnet Stil und Absicht der BILD, dass sie während ihrer gesamten "Kampfhund"-Kampagne im April/Mai dieses Jahres keinen einzigen Hunde-Experten zur Frage der Gefährlichkeit von Hunden zu Wort kommen ließ und stattdessen einen für das Thema absolut inkompetenten Humanpsychologen seine, für die Mehrzahl der verantwortungsvollen Hundehalter ehrverletzenden, Mutmaßungen anstellen ließ. Dies wiegt umso schwerer, als durch Titel und Berufsbezeichnung des Herrn Schmidtchen eine Wissenschaftlichkeit seiner Äußerungen suggeriert wird.

BILD am 27. April, große Artikel-Überschrift: "Kampfhund fiel ein Kind an - da habe ich ihn erschlagen". Was sich auf den ersten Blick wie eine Heldentat las, war eine gemeine Tierquälerei und eine verbrecherische "Tötung eines Tieres ohne vernünftigen Grund" im Sinne des Tierschutzgesetzes. Ein Mann aus Hamburg-Wilhelmsburg stand vor Gericht, weil er seinen Hund "Aron", einen Dobermann-Mischling, der ihm angeblich "zugelaufen" war, mit einer Eisenstange erschlagen und mit einem Klappmesser erstochen hatte. Zur Rechtfertigung behauptete der Täter, der Hund hätte "beinahe" den kleinen Sohn eines Freundes angefallen: "Plötzlich stürzte sich das Tier mit fletschenden Zähnen auf das Kind. Ich konnte den Hund im letzten Moment zurückreißen. Dem Jungen passierte nichts - nur sein Lätzchen wurde von Aron zerfetzt." - Er habe den Hund getötet, "damit er nicht noch mehr Unheil anrichtet". Zweifel an dieser Darstellung schienen der BILD nicht gekommen zu sein. Die Tat entsprach, wenn auch in der Form vielleicht ein bißchen zu extrem, der in den letzten Wochen von dem Blatt geschürten Stimmung. Demgemäß wird sich künftig jeder, der sich aus welchen Gründen auch immer seines Hundes durch Tötung entledigen will, hinter der Schutzbehauptung verstecken können, das Tier hätte ein Kind angeknurrt.





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