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Hamburger Hundeverordnung wird immer mehr zur Farce



Kontrolleure beklagen massive Täuschung durch Halter - Tierärzte warnen: Rassen nicht bestimmbar - System weist große Lücken auf

Die Lücken in der Hamburger Hundeverordnung werden immer deutlicher: Nachdem das Verwaltungsgericht Hamburg in der vergangenen Woche die Verordnung als rechtlich "nichtig" verwarf, stellen nun auch Tierärzte, Ordnungshüter und Politiker die auf Rasselisten basierende Einstufung von Hunden infrage. Denn in der Praxis hat sich gezeigt, dass die Rassen der Tiere, die in Hamburger Wohnungen gehalten werden, häufig gar nicht zu bestimmen sind.

Ein internationaler Standard definiert rund 400 Hunderassen, den die Tierärzte bei der Bestimmung eines Hundes anlegen müssen. Doch dieser Standard ist ungenau und hilft meistens nicht weiter. Die Präsidentin der Tierärztekammer, Barbara Schöning bezweifelt sogar, dass sich die Rasse eines Hundes überhaupt bestimmen lässt: "Untersuchungen bei einer Kreuzung von Wölfen und Pudeln haben gezeigt, dass sich schon in der zweiten Generation die Abstammung nicht mehr nachweisen ließ." Bei Hunden gebe es keinen genetischen Fingerabdruck. Die Bestimmung erfolge lediglich nach anatomischen Merkmalen.

Schöning lehnt es ab, die Gefährlichkeit von Hunden an ihrer Art festmachen zu wollen. "Wissenschaftlich gibt es keinen Hinweis, dass ein Pitbull gefährlicher ist als ein Schäferhund." Ersterer gilt in der Hamburger Hundeverordnung pauschal als gefährlich. Letzterer wird dort nicht einmal aufgeführt.

Von 564 amtlich registrierten Beißvorfällen im vergangenen Jahr wurden 534 von Hunden begangen, welche die Hundeverordnung gar nicht erfasst. Diese war nach dem Tod des kleinen Volkan im Sommer 2000 hastig zusammengestrickt worden. Stückwerk, meinen viele. Der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Ekkehard Rumpf hält eine Überarbeitung für unabdingbar und fordert, dass die Rasseliste zu Gunsten einer individuellen Beurteilung der Gefährlichkeit eines Hundes und dessen Halters abgeschafft wird.

Auch Mitarbeiter des Sicherheits- und Ordnungsdienstes, der die Einhaltung der Hundeverordnung auf Hamburgs Straßen überwacht, beklagen die Löcher im System: "Wir werden immer wieder an der Nase herumgeführt", sagte ein Hundekontrolleur gegenüber der WELT. "Da werden Kampfhunde von Tierärzten als Schoßhunde ausgewiesen, und wir haben keine Handhabe."

So habe er in einem Fall einen freilaufenden Pitbull sicherstellen wollen, doch der Besitzer hätte ihm die Bescheinigung vorgelegt, die den Hund als Labradormischling auswies. "Als ich mich bei der Versicherung über das Tier erkundigte, erfuhr ich, dass es dort als Pitbull registriert war."

Wolfgang Poggendorf, Geschäftsführer des Hamburger Tierschutzvereins, verlangt eine sofortige Neuregelung der Hundeverordnung: "Schon jetzt herrscht in vielen Fällen Uneinigkeit über die Rassezugehörigkeit von sichergestellten Hunden", sagt Poggendorf. So würden Hunde wieder dem Halter übergeben, weil sie selbst von Fachleuten nicht einzuordnen sind. Vor Ort sei das noch schwieriger. "Ein Polizist, der so einen Hund sicherstellen soll, kann nur ins Bilderbuch gucken und danach entscheiden", sagt Poggendorf. So hat das Tierheim Süderstraße zwei angebliche Kampfhunde, die seit drei Jahren dort untergebracht sind, weil nicht eindeutig geklärt ist, wie die Hunde einzustufen sind.

Die Kosten für die Unterbringung liegen bislang bei rund 11 000 Euro. Und die muss der Steuerzahler aufbringen. Denn die Stadt, nicht der Halter kommt für die Unterbringung auf. Die liegt bislang bei etwa zehn Euro pro Tier und Tag. Hier ist auch der zweite Punkt, den Poggendorf neu geregelt haben will. "Es muss eine Halterhaftung her", sagt der Chef des Tierschutzvereins. mk/rap/zv

(Quelle: Welt v. 16.09.2003)

 

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