Hund und Halter e.V.

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Tierärztekammer greift Hundeverordnung scharf an

DIE WELT 22.10.2000


Offener Brief an Senatorin Karin Roth - "Rassenkataloge sind nicht haltbar" - Sachkundenachweis für alle Halter gefordert

Von Jörn Lauterbach

Die Gegner der Hamburger Hundeverordnung haben unvermutete Schützenhilfe aus den Reihen der Hamburger Tierärzte bekommen. In einem offenen Brief an Sozialsenatorin Karin Roth kritisiert die Tierärztekammer die bisherigen Vorschriften scharf, fordert aber auch gleichzeitig die Ausweitung des "Hundeführerscheins" auf alle anderen Hundehalter.

Die späte Stellungnahme der Tierärztekammer, die vor dem Tod Volkans in Wilhelmsburg selbst an Vorbereitungsgesprächen zu der neuen Hundeverordnung beteiligt war, erklärte Präsidentin Barbara Schöning in dem Brief: "Sachliche Argumente hätten während der emotionalen öffentlichen Diskussion kaum Gehör gefunden, daher haben wir uns zurückgehalten." Weil die Mitglieder der Tierärztekammer aber "kompetente Sachverständige in allen Fragen, die Hunde und deren Haltung betreffen" seien, folge jetzt der offene Brief.

In diesem werden die aufgestellten Rassenkataloge abgelehnt: "Sie entbehren biologisch als auch statistisch jeder wissenschaftlichen Grundlage. Es gibt keine Untersuchung, die auch nur im Ansatz rechtfertigt, einige Hunderassen als gefährlich und andere als ungefährlich einzuordnen." Größe, Gewicht und Beißkraft seien keine Kriterien - "wenn doch, fehlen in den Hamburger Hundeverordnung viele Rassen, unter anderem der Rottweiler oder der Schäferhund." Zudem gebe es keine Gentests zur Rassebestimmung. Viel zu wenig Wert sei auf die Rolle des Halters gelegt worden: "Immer ist es der Mensch, der maßgeblich das Verhalten seines Hundes formt." Auch die Durchführung der Verordnung wird kritisiert. "Der Rassekatalog schafft Fakten für Euthanasie, die unserer Ansicht nach nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sind." Wenn früher durch bestimmtes Hundeverhalten Gefahr im Verzug war, habe es schon immer die Möglichkeit der Tötung gegeben. Die jetzige Form der Unterbringung in einer Halle sei auch nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar: "Unterbringen bedeutet nicht einfach wegschließen."

Sogar gegen die Maulkorb-Verordnung für bestimmte Rassen legt die Tierärztekammer ihr Veto ein. "Ursprünglich sozial und kommunikativ kompetente Hunde können so zu einer realen Gefahr werden." Daher wäre es zu begrüßen, wenn auch die Hunde der ersten Kategorie von dem Zwang zum Maulkorb befreit würden, sobald ein entsprechendes Gutachten vorliegt.

In der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist man über die Schützenhilfe für die seit Wochen protestierenden (Kampf-)Hundebesitzer nicht eben erfreut. "Es stimmt nicht, dass alle Hunde gleich sind. Sie haben unterschiedliche Aggressionspotenziale", so Sprecher Stefan Marks. Ein Dackel hätte Volkan eben nicht totbeißen können. Die Forderung nach einem Hundeführerschein für alle Hundebesitzer lehnt die Behörde ebenfalls ab: "Die Tierärztekammer will die Verordnung da aufweichen, wo es um die gefährlichen Hunde geht, und dort verschärfen, wo es um die anderen geht", so Marks. Senatorin Roth denke jedenfalls nicht daran, Veränderungen an der Verordnung vorzunehmen: "Das bleibt alles bestehen."

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