Verein gegen die Diskriminierung von Hund und Halter e.V.

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Rechtliche Einschätzung in Sachen Anordnung zur Abgabe des Hundes, von Frau Rechtsanwältin Nielsen

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R E C H T S A N W A L T     M A R T I N    H A N S K E
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    Rechtsanwalt Martin Hanske, Rathenaustraße 13. 30159 Hannover

Herrn
Thomas Henkenjohann
Binnersweg 1 26954
Nordenham
  Martin Hanske
Rechtsanwalt
Anke - C. Nielsen
Rechtsanwältin


an 110100N08
Henkenjohann; Gefahrtier
(bitte stets angeben)


Datum
04. Dezember 2000


Sehr geehrter Herr Henkenjohann,

bei der von ihnen in Ablichtung übersandten Anordnung der Untersagung des Haltens eines Hundes handelt es sich um einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid, so daß hiergegen folgende verwaltungsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind:

Gegen den Bescheid ist zum einen Widerspruch innerhalb eines Monate nach Bekanntgabe desselben bei der den Bescheid erlassenden Behörde schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Behörde prüft den Widerspruch und erläßt entweder einen positiven Abhilfebescheid oder legt den Widerspruch der nächsthöheren Behörde zur Entscheidung vor. Diese erläßt dann einen Widerspruchsbescheid, der positiv oder negativ ausfallen kann. Im Falle eines negativen Widerspruchbescheides muß innerhalb einen Monats nach Zustellung desselben Anfechtungsklage beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden.

Grundsätzlich hätte der Widerspruch gegen einen Bescheid aufschiebende Wirkung, d.h., die im Bescheid getroffenen Verfügungen wären bis zu einer Widerspruchsentscheidung bzw. sogar bis zu einem Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zu vollziehen.

Sofern die Behörde jedoch ihrem Bescheid eine Anordnung der sofortigen Vollziehung beigefügt hat, hat der Widerspruch gegen den Bescheid keine aufschiebende Wirkung mehr. Es müßte daher als zusätzlicher Rechtsbehelf, um die Vollstreckung der im Bescheid genannten Verfügungen zu verhindern, ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO beim örtlich zuständigen Gericht gestellt werden. Dieser müßte innerhalb der im Bescheid genannten Vollziehungsfrist für die dort angeordneten Verfügungen schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Möglich ist in Eilfällen auch die telefonische Beantragung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch den Betroffenen beim Verwaltungsgericht.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt, daß das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug übersteigt.

Dieser Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dürfte im Fall der Anordnung zur Untersagung der Haltung und Abgabe das Hundes aus mehreren materiell-rechtlichen Gründen erfolgreich sein.

Bereits die Erwägung der Behörde, es stünde dem Schutzanspruch der Allgemeinheit entgegen, die von dem Hund ausgehende erhebliche abstrakte Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter bis zu einer gerichtlichen Entscheidung hinzunehmen, dürfte den durch § 80 Abs. 1 VwGO gewährleisteten Rechtsschutz, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten, in Frage stellen. Folgte man der Begründung der Behörde, würde dies darauf hinauslaufen, daß die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs praktisch niemals zur Anwendung käme.

Die Anordnung der Abgabe des Hundes bzw. Tötung wird durch keine Rechtsgrundlage gedeckt.

Das Abgabegebot berührt die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie (Art. 14 GG), das Erfordernis der Bestimmtheit, das Gebot des Gesetzesvorbehalts und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Der bloße Gefahrenverdacht stellt keine ausreichende Grundlage für die weitgehenden Maßnahmen der Behörde dar. Abstrakte Gefährdungsmomente dürften Untersagung und Abgabe nur tragen, wenn sie nachvollziehbar auf vorhandene Schadensneigung den als gefährlich eingestuften Hundes und angenommene Verletzungsfolgen kausal zurückzuführen sind. D.h., die lediglich vermutete rassespezifische Gefährlichkeit des Hundes reicht als Grundlage für die einschneidenden Folgen der angeordneten Untersagung und Abgabe nicht aus.

Die Klassifizierung eines Hundes als gefährlich unter Ausschluß des Führens eines Gegenbeweises bedeutet den Verlust des Eigentums an dem Hund. Nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers ist es jedoch weder dem Halter noch Dritten erlaubt, einen als gefährlich geltenden Hund zu halten. So stellen die Aufnahme in ein Tierheim oder die Abgabe des Hundes an einen gefährdeten Dritten ungeeignete, rechtlich nicht gedeckte Lösungen dar, da ein als gefährlich geltender Hund nicht verwahrungsfähig ist.

Da Rückgabe an den Eigentümer oder die Verwertung im Wege des Verkaufs des Hundes an einen Dritten aufgrund seiner angenommenen rassespezifischen gefährlichen Beschaffenheit nicht in Betracht kommt, laufen Untersagung und Abgabegebot auf eine Tötung des Hundes hinaus. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage, da bei bestehender nachgewiesener Ungefährlichkeit der Entzug des Eigentums an dem Hund mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren ist.

Das Gebot, "den Hund in geeigneter Weise" abzugeben bzw. den Nachweis zu erbringen, "nicht mehr Halter des Hundes zu sein", verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG). Durch das Abgabegebot wird vom Hundehalter eine Verhaltensweise gefordert, die dieser nach geltendem Recht nicht erfüllen kann. Es besteht keine Abnahmepflicht von Dritten, beispielsweise dem Tierheim.

Die Androhung der Behörde, ordnungsrechtlich im Wege der Ersatzvornahme vorzugehen, ist zum einem auf den Geltungsbereich des jeweiligen Bundeslandes begrenzt und steht zum anderen im untrennbaren Zusammenhang mit der Handlungspflicht des Hundehalters. Mit anderen Worten: wenn die gegenüber dem Hundehalter erlassene Untersagungs? und Abgabeverfügung, wie festgestellt, rechtswidrig ist, gilt dies ebenso für die Ersatzvornahme .

Die Erfolgsaussichten eines Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sind somit als positiv zu bewerten, gleiches gilt für die im Falle eines negativen Widerspruchsbescheides anzustrengende Anfechtungsklage in der Hauptsache.


Mit freundlichen Grüßen

Nielsen

Rechtsanwältin

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