Verein gegen die Diskriminierung von Hund und Halter e.V.

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Rede von Frau Dr. Zogbaum (Pressesprecherin BPT)
auf dem Tierärztekongress in Leipzig


Leipzig 2000

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als dieser Kongress geplant und vorbereitet wurde, hat sich wohl keiner träumen lassen, welche Aktualität das ausgewählte Thema "Problemverhalten beim Hund" in der Zwischenzeit erlangen würde. Seit Beginn der 90iger Jahre - der Geburtsstunde der Rassenlisten im Süden Deutschlands - schwebt das Damoklesschwert über Hund und Halter. Im nachhinein betrachtet hätte die Tierärzteschaft mit ihren Organisationen und Verbänden schon damals wesentlich massiver reagieren müssen gegen die völlig verkehrte Grundvoraussetzung Gefährlichkeit von Hunden an Rassenfestzumachen. Bedauerlicherweise konnten sich die sog. Kampfhundelisten immer mehr etablieren und peu a peu nahm die Diskriminierung von Hund und Halter ihren Lauf.

Die Stellungnahme der BTK zu diesem Thema, erarbeitet auf dem Deutschen Tierärztetag in Würzburg, fand nicht das von uns Tierärzten gewünschte Echo. Anschreiben des BPT an die Ministerien und Stellungnahmen führten dann endlich zu vielen - auch ausgesprochen positiven Gesprächen - mit zuständigen Politikern. Sollte sich da ein kleiner Hoffnungsschimmer am Kampfhundehorizont zeigen? Es hatte den Anschein bis zum Tag x, dem denkwürdigen 26. Juni 2000.

Auf einen Schlag war alles anders! Was war passiert?
Ein auf Schärfe abgerichteter missbrauchter Hund eines Kriminellen hat ein Kind getötet. Trotz hohem Bekanntheitsgrades dieses höchst explosiven Hund-Halter Gespannes haben Behörden, wie auch schon in vielen Fällen vorher, nichtwirksam reglementiert, so dass dieses entsetzliche Unglück passieren konnte. Die anschließende Reaktion der Medien ist uns allen wohl noch gut im Gedächtnis. Es gab in Deutschland nur ein Thema: reißende Bestien und Killermaschinen, die täglich neue Opfer fordern.

Dabei wurde völlig außer Acht gelassen, dass über 90% der Hunde als Familienhunde gehalten werden. Über Jahre gewachsene engste familiäre Mensch-Hund Beziehungen wurden in Frage gestellt und drohen zerrissen zu werden. Angst bei Hundehaltern und deren Kindern wurde und wird geschürt. "Wann hat das Töten ein Ende?" "Wer schützt unsere Kinder?" - diese und ähnliche medienwirksame Fragen bauten einen immensen Druck auf, dem unsere Damen und Herren Politiker nicht gewachsen waren. Bei Hunden würde man in vergleichbaren Situationen von Wesensschwäche sprechen. Im Schnellschussverfahren wurden 16 Länderverordnungen erlassen, die Fach und Sachkenntnis sowie seriöse wissenschaftliche Grundlagen vermissen lassen. Dafür profilierten sich Politikerinnen und Politiker mit pressewirksamen Äußerungen zu diesem Thema in der Öffentlichkeit, die nicht dazu angetan waren, die brisante Situation zu entschärfen. Personen mit Fachkenntnis wie Ethologen und Tierärzte wurden nicht mehr gefragt.

Es geht schon lange nicht mehr um den Schutz des Menschen vor gefährlichen Hunden, sondern Hundehaltung in Deutschland ist zum Politikum geworden und das ist gefährlich! Hundehaltung wird immer mehr erschwert! Hunde können nicht mehr artgerecht gehalten werden, oder: reisen Sie doch mal mit Hund von Flensburg nach Berchtesgarden. Sie werden Durchreisebestimmungen benötigen, um sich mit ihrem Vierbeiner verordnungsgemäß verhalten zu können. Hunde sollen dezimiert werden!!! QUO VADIS CANIS, um Dieter Fleig zu zitieren. Das sollte auch uns Tierärzten zu denken geben.

Die meisten Verordnungen gehen von falschen Voraussetzungen aus: Gefährlichkeit wird an Rasse und Größe festgemacht. Zucht- und Haltungsverbote führen zum Aussterben ganzer Rassen. Jederzeit und schon jetzt praktiziert werden andere Rassen von Kriminellen missbraucht. Allgemeiner Maulkorb- und Leinenzwang schränken Hunde derart ein, dass sich ein geballtes Fruststraktionspotential in bislang sozialverträglichen Hunden aufbaut. Wesensteste unterschiedlicher Machart, die immer nur die Testsituation wiedergeben, entscheiden nicht nur über Befreiung von Maulkorb und Leine, sonder über Leben und Tod!

Hundefeindlichkeit und Hass werden geschürt. Seriöse Hundehalter kriminalisiert, Übergriffe auf Hunde und ihre Halter finden statt - sie sind mancherorts zum Freiwild geworden. Fragen wir uns doch einmal, was macht Hunde gefährlich, warum passieren Beißunfälle? 90% der Vorfälle beruhen auf Missverständnissen zwischen Menschen und Hunden.

Die Kommunikation klappt nicht. Kenntnisse über Hundeverhalten, speziell über Ausdrucksverhalten, sind mangelhaft oder nicht vorhanden. Es ist erstaunlich, dass nicht mehr passiert und das spricht einzig und allein für unsere Hunde, die wesentlich anpassungsfähiger sind als wir Menschen. 70% aller Beißunfälle ereignen sich innerhalb der Familie mit familieneigenen oder bekannten Hunden. Meist sind Kinder betroffen. Diese Erkenntnisse werden auch durch Arbeiten von Prof. Riek, einem plastischen Chirurgen, der in der Wiederherstellungschirurgie tätig ist, untermauert. Die sog. Kampfhunde spielen in seinen Statistiken so gut wie keine Rolle. Das Problemverhalten Aggression gegen den eigenen Besitzer zählt mit zu den häufigsten Gründen, eine Praxis für Verhaltenstherapie aufzusuchen.

Darüber muss nachgedacht und da muss auch angesetzt werden, um Beißunfälle zu reduzieren. Begonnen werden muss beim Züchter. Hunde, die der Zucht zugeführt werden sollen, müssen sorgfältig auch nach ihrem Interieur ausgewählt werden. Ein entsprechender Verhaltenstest sollte entwickelt werden und die Absolvierung Pflicht werden vor dem Zuchteinsatz. Beim Züchter wird der Grundstein gelegt für den späteren sozialverträglichen Hund. Er trägt ein enormes Maß an Verantwortung, dem er nur mit der nötigen Zeit und dem entsprechendem Wissen gerecht werden kann. Das sollte vorher abgeprüft werden.

Wir brauchen keine industrielle Hundevermehrung mit einem riesigen Kontingent von Welpen mit Deprivationsschäden, die später kaum mehr therapierbar sind. Sachkunde bei Hundehaltern und solchen die es werden wollen, ist essentiell für eine gut funktionierende Mensch-Hunde-Beziehung. Allgemeine Kennzeichnungspflicht durch Mikrochip und Haftpflichtzwang sind unabdingbare Forderungen und müssen angestrebt werden - und eine peinlichst genaue und strenge Reglementierung von auffällig gewordenen Hunden und deren Haltern durch die Behörden.

Für die anstehende Innenministerkonferenz hat der BPT nochmals ein Positionspapier entworfen mit allen wichtigen Argumenten für eine vernünftige, tierschutzgerechte und durchführbare Verordnung zur Abwehr von Gefahren durch gefährliche Hunde. Ausgesprochen begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang auch die gemeinsame - man beachte das Wort gemeinsame - Initiative von VDH, Deutschen Tierschutzbund, BTK, BPT, ein Herz für Tiere und Pedigree für die Hundehaltung. Unter dem Motto "Wir gehören zusammen," nämlich Mensch und Hund, werden die positiven Einflüssen von Hunden auf die Gesellschaft hervorgehoben. Aber damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es nicht getan. Es ist schon 5 nach 12 und das Kind liegt schon im Brunnen!!! Wir alle, die wir täglich in unseren Praxen stehen, müssen entsprechend tätig werden; Wissen über Verhaltens- und Rassenkunde ist wichtig, um korrekt beraten und helfen zu können, damit so etwas wie in Niedersachsen nicht geschieht. Hier hat das LM eine Broschüre zur Hundehaltung herausgegeben, in der auf das wärmste 7 Rassen für jedermann empfohlen werden. Unter anderem zählen hierzu der Cocker-Spaniel, der Chow-Chow und der Sibiran Husky als besonders sanfter Familienhund. - Kein Kommentar!

Meine Bitte an Sie: Knüpfen Sie vor Ort Kontakte zu Kindergärten und Schulen, unterstützen Sie die IG's von Hundefreunden, die sich überall gebildet haben und bringen Sie Ihr Wissen ein, denn der älteste Begleiter des Menschen, um den es zur Zeit nicht gut in unserem Land steht, braucht jetzt unsere Hilfe.

Melle, den 10.10.2000

gez. Dr. Ute Zogbaum





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