Hund und Halter e.V.

Übersicht

zurück


Presseerklärung der Expertenkommission
zur Bewertung der LHV NRW



Download als Worddokument




Nachdem wir, die Unterzeichner dieses Schreibens, auf Einladung der Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bereits am 8. September zu einem Fachgespräch zur neuen Landeshundeverordnung in den Düsseldorfer Landtag eingeladen wurden, fand am Montag (25. September) im Landtag eine weitere Anhörung auf Initiative der FDP statt.

Irritiert durch die Tatsache, dass unser am 8. September erarbeiteter Konsens, der auch vom überwiegenden Teil der Medien bis ins Detail korrekt wiedergegeben wurde, von Umweltministerin Ministerin Bärbel Höhn später ins Gegenteil verkehrt wurde, beschlossen wir nach der Anhörung am Montag, unsere Position zur Landeshundeverordnung NRW diesmal in einer gemeinsamen Erklärung deutlich zu machen. Dabei verzichten wir allerdings darauf, detaillierte Änderungsvorschläge zur LHV zu unterbreiten. Diese wurden von uns in der Vergangenheit bereits mehrfach vorgelegt, blieben bislang aber von der Landesregierung unberücksichtigt.

Stattdessen wollen wir noch einmal darlegen, warum die Landeshundeverordnung NRW in der Fassung vom 30. Juni bei uns auf ebenso schwerwiegende wie grundlegende Bedenken stößt:

Ad 1: Unter sämtlichen Juristen der Expertenkommission besteht Einigkeit darüber, dass die Verordnung mit Grundsätzen rechtsstaatlichen Handelns unvereinbar ist. Abgesehen davon, dass ein so gravierender Eingriff in elementare Lebensbereiche Zigtausender Bürger allenfalls per Gesetz, keinesfalls jedoch per Verordnung zu regeln ist, bestehen auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verordnung. In ihrer Sitzung am 25. September hat die Kommission daher erneut ihr Befremden darüber zum Ausdruck gebracht, dass die vom Umweltministerium NRW erlassene Verordnung zu keiner Zeit vom Justizministerium auf ihre Verfassungs- und Rechtmäßigkeit überprüft wurde - obschon das allein deswegen erforderlich gewesen wäre, weil die Verordnung etliche Bundes- bzw. Landesgesetze tangiert.

Ad 2: Nach einhelliger Meinung der Kommission ist die Verordnung nicht geeignet, dem tatsächlichen Schutzbedürfnis der Menschen vor gefährlichen Hunden Rechnung zu tragen. Statt den einzelnen unverantwortlichen Halter dingfest und haftbar zu machen, werden per Verordnung unbescholtene Bürger quasi über Nacht zu potentiellen Straftätern erklärt und in einer bislang einzigartigen Beweislastumkehr genötigt, die Behörden von ihrer Unschuld zu überzeugen. Statt beim gefährlichen (Hunde-)Individum anzusetzen, indiziert die Verordnung willkürlich und pauschalisierend gleich mehr als drei Dutzend (!) Hunderassen. Dieses Vorgehen irritiert umso mehr, wenn man feststellen muss, dass der weitaus überwiegende Teil aller in Liste 1 und 2 aufgeführten 42 Rassen in Beißstatistiken entweder überhaupt nicht, lediglich an hinteren Stellen, in keinem einzigen Fall jedoch auf den ersten Rängen dieser Erhebungen aufgeführt wird. Nach übereinstimmender Auffassung der Kommission soll so dem Bürger offenbar eine Scheinsicherheit vorgekaukelt werden, frei nach dem Motto: "Je mehr Rassen auf der Liste eines Landes, desto größer die Sicherheit seiner Bürger". Dass dabei Rassen gelistet werden, die seit Jahrhunderten ausgestorben sind, nie existierten oder in Deutschland nachweislich weder gezüchtet noch gehalten werden, sei nur am Rande und deshalb erwähnt, weil es bei allen Teilnehmern der Expertenrunde erhebliche Zweifel am Sach- und Fachverstand jener Mitarbeiter des Landesumweltministeriums ausgelöst hat, die an der Erstellung der LHV mitgewirkt haben.

Ad 3: Es erfüllt die Mitglieder der Kommission mit großer Sorge, dass die Verordnung nicht etwa für ein friedvolles Miteinander von Hundehaltern und Nichthundhaltern eintritt, sondern - im Gegenteil - bestehende Vorurteile und Ängste auf beiden Seiten schürt, dass sie weite Teile der Bevölkerung zunehmend polarisiert. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als ein Abwägen berechtigter Interessen beider Seiten überhaupt nicht erkennbar ist. Dass infolge der Verordnung Menschen wegen der Rassezugehörigkeit ihres Hundes (nicht wegen seiner Gefährlichkeit) von der Beförderung durch die Deutsche Bahn AG ausgeschlossen werden, dass ihnen die Wohnung gekündigt oder ein bislang völlig unauffälliger Hund weggenommen wird, hat mit dem Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden wohl nicht einmal marginal zu tun.

Ad 4: Entgegen aller anderslautender Bekundungen hat das Umweltministerium Zusagen, für eine gesicherte Unterbringung der in Folge der LHV ausgesetzten, beschlagnahmten und in Tierheimen abgegebenen Hunde (vor allem der Anlage 1) ausreichende finanzielle Mittel bereitzustellen, nicht eingehalten. Statt dessen sind Meldungen von katastrophalen Überbelegungen, Tötungsaktionen und anderen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz an der Tagesordnung. Dass etliche dieser Hunde auf Grund der Unterbringungssituation, aber auch durch permanenten Leinen- und Maulkorbzwang deutliche Verhaltensveränderungen aufweisen, bestätigt den von der Kommission schon sehr früh geäußerten, vom Umweltministerium aber offenkundig nie ernst genommenen Verdacht: Die Verordnung in der derzeit gültigen Form ist eher dazu angetan, verhaltensauffällige Tiere zu produzieren und das Problem somit zu verschärfen, anstatt es zu lösen.

Ad 5: Die Expertenrunde möchte an dieser Stelle noch einmal ihr Befremden darüber zum Ausdruck bringen, dass die erheblichen Bedenken, die bereits in der mehrstündigen Anhörung vom 8. September gegen die aktuelle Fassung der LHV vorgebracht wurden, bislang in keiner Weise von der Landesregierung berücksichtigt wurden. Da sich vor allem erheblicher Widerstand der Experten gegen die Rasselisten und die Beweislastumkehr erhob, ist nicht nachvollziehbar, warum sogar eine Überprüfung der Listen vom Umweltministerium bislang kategorisch abgelehnt wird. Dies ist umso weniger zu verstehen, als in anderen Bundesländern die Listen bereits von Gerichten in Normenkontrollverfahren de facto außer Kraft gesetzt wurden.

Düsseldorf, 28. September 2000

Manfred Arning (Bund Deutscher Kriminalbeamter),
Guenther Bloch (IG unabhängiger Hundeschulen),
Christa Bremer (Verband für das Deutsche Hundewesen),
Dr. Rolf Dannemann (Veterinaeramt Wuppertal),
Volker Drews (IG Mensch & Hund),
Dr. Mechthild Fecke-Peitz (Tierärztekammer Westfalen-Lippe),
Stephan Giese-Lex (Rechtsanwalt),
Werner Griepenkerl (Club für französische Hirtenhunde),
Friedhelm Grunert (IG Mensch & Hund),
Dr. Manfred Herrmann (Allgemeiner Deutscher Rottweiler Klub),
Ulla Keller (Mütter + Kind für Hunde),
Hans-Joachim Konnegen (Rechtsanwalt),
Petra Krivy (Club für Slovensky Cuvac),
Peter Lange (Journalist),
Simone Lepetit (Rechtsanwältin),
Tanja Lex (Rechtsanwältin),
Dr. Karl Lucks (Oberstaatsanwalt a.D.)
Alfred Maciejewski (BDK / IG Mensch & Hund),
Armin Meier-Kuehn (Oberstudienrat),
Alexandra Oetker (Liberales Netzwerk),
Norbert Roling (Klub für Ungarische Hirtenhunde),
Claudia Schuermann (Bullterrier in Not),
Prof. Dr. Bernd Switalla (Briard Club Deutschland),
Dr. Ursula Teschner (Veterinäramt Wuppertal),
Thorsten Wegener (Uelzener Versicherungen),
Harald Wiegand (Journalist),
Hartmut Zenk (Verein für Deutsche Schäferhunde)



Übersicht

zurück