Verein gegen die Diskriminierung von Hund und Halter e.V.

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Kurzinformation zur Verhandlung diverser Normenkontrollverfahren gegen die nds. GefTVO vor dem OVG-Lüneburg am 21.05.20001


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Die Kläger

Tierschutzverein Hannover und Umgebung e. V. - Az.: 11 K 4233/00
Tierschutzverein Lüneburg und Umgebung e. V. - Az.: 11 K 3268/00
4 Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Rottweiler Club e. V. - Az.: 4333/00
Thomas Henkenjohann, stellv. für den Verein gegen die Diskriminierung von Hund & Halter e. V. Az.: 11K 2877/00

Vorab
Entgegen den Verlautbarungen der Funk- und Printmedien vor und nach dem Verhandlungstermin, hat das OVG-Lüneburg keinesfalls die Angelegenheit schon im August letzten Jahres im Eilverfahren abgeschmettert. Auch wurde nicht, wie in diversen Zeitungsberichten behauptet, der Rechtschutz des Klägers im Eilverfahren abgelehnt. Das Eilverfahren wurde bezüglich des Leinen- und Maulkobzwangs angestrengt und das Anliegen des Klägers lediglich einer summarischen Prüfung, also einer reinen Interessenabwägung, unterzogen. Entgegen den Medienberichten erklärte das Gericht zum damaligen Zeitpunkt das Hauptsacheverfahren als völlig offen.

Die Verhandlung
Der Vorsitzende eröffnete die Verhandlung mit einer sehr ausführlichen Erläuterung über den geplanten Ablauf. Des weiteren machte er deutlich, dass sich das Gericht durchaus darüber bewusst sei, dass es sich um eine politisch brisante und auch sehr emotionsbeladene Angelegenheit handelt. Gerade aus diesem Grund und in Anbetracht der erkennbaren Betroffenheit der Hundehalter würde man sich eine sachliche Behandlung des Themas wünschen, um zu einer sachgerechten und unabhängigen Beurteilung zu finden.
Nach den Einleitungen der beiden Berichterstatter folgte eine Erklärung zu den Schriftsätzen bzw. den Anträgen der Antragsteller. Keine Probleme würde das Gericht nach seiner bisherigen Beratung in folgenden Punkten sehen:
  • Regelungskonflikt - Zuständigkeit des Bundes (Tierschutzgesetz) / Gefahrtierverordnung
  • Die Bestimmung/Feststellung von Kreuzungen (Mischlingen)
  • Die Kosten für z. B. Wesenstest, Unfruchtbarmachung würden, sofern sich die Verordnung als rechtlich unbedenklich erweist, nach dem Verursacherprinzip vom Halter zu tragen sein.
Nach Aussage des Vorsitzenden sehe man aber eine Fülle an Problemen, die die Gefahrtierverordnung in sich birgt. Die da wären:

  • Die Verordnung greift nicht bei gewerblicher Zucht, was eine Ungleichbehandlung gegenüber den Hobbyzüchtern bedeuten würde.
  • Probleme bei einem Wohnortswechsel, wenn z. B. ein Halter aus einem anderen Bundesland mit seinem Hund seinen Wohnort nach Niedersachsen verlegt. Es existiere diesbezüglich zwar eine Richtlinie in den Durchführungsbestimmungen, die Verordnung selbst enthält aber keine Bestimmungen hierüber. Das würde doch recht deutlich zeigen, dass die verwaltungsinternen Durchführungsbestimmungen z. T. dazu genutzt werden, die zu spät festgestellten Mängel an der Verordnung zu korrigieren.
  • Die nichtwiderlegbare Gefährlichkeitsvermutung bei den Hunderassen der Kategorie 1. Dieses besonders mit Hinblick auf die positive Erfolgsquote der Hunde bei den bisher abgelegten Wesenstests.
  • Die Tötung der in Kategorie 1 benannten Hunderassen bei Nichtbestehen des Wesenstests. Dem entgegen dürfen die in Kategorie 2 benannten Hunderassen (Gott sei Dank / eigene Anm.) weiterleben.
  • Die Unfruchtbarmachung der in Kategorie 1 benannten Hunderassen trotz erfolgreich absolviertem Wesenstest.
  • Leinen- und Maulkorbzwang für die in Kategorie 1 benannten Hunderassen trotz erfolgreich absolviertem Wesenstest.
  • Die Aufstellung von 2 unterschiedlichen Rasselisten (selbst mit Hinblick auf die Entscheidung des BVerwG)
  • Mit Hinblick auf das Bundesgesetz und dem darin beinhalteten weitgefassten Begriff "Zucht" (jegliche Vermehrung - kontrolliert/unkontrolliert) können einige Teile der nds. GefTVO hinfällig sein.
Sehr kritisch hinterfragt wurden im Verlauf der Verhandlung u. a.: Mit Hinblick auf die soziale Entwicklung eines Hundes, die Maulkorb- und Leinenzwangregelung für Junghunde nach dem sechsten Lebensmonat.
Die Nichteinbeziehung gleichwertig abstrakt gefährlicher Hunde, vor allem in Anbetracht der vorliegenden Statistiken. Und auch die Qualifikation der für den Test vom Landwirtschaftsministerium bestellten Tierärzte.

Zu keiner Zeit gelang es den Mitarbeitern des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch sachliche Argumente zu überzeugen bzw. die Rassenlisten zu rechtfertigen. Das Gegenteil war der Fall. Man verwies auf laienhafte Lektüre, auf einen mehr als zweifelhaften Sachverständigen des bayerischen Innenministeriums, rechtfertigte die Einbeziehung des Rottweilers u. a. mit Zahlen, die zum Erlass der Verordnung noch gar nicht zur Verfügung standen. Und verstrickte sich ständig in recht erheiternde Widersprüche. Es wurde bspw. ein Teil der Rassenliste mit der persönlichen Lebenserfahrung der Ministeriumsmitarbeiter, der Kabinettsmitglieder und den Ordnungsamtsmitarbeitern gerechtfertigt. Oder die Aufnahme von einigen Hunderassen in die Kategorie 2 damit begründet, dass man den Leuten, die zuvor Pit Bull und Co. missbrauchten, den Zugriff auf ein neues "Spielzeug" verwehren wolle. Auch wurde behauptet, dass die in Kategorie 1 benannten Rassen trotz eines Nichtbestehens des Wesenstests nicht getötet werden müssen. Dieses liege im Ermessen der durchführenden Behörde. Diese Information war nicht nur für die betroffenen Hundehalter völlig neu, auch die Richter zeigten sich doch sehr verblüfft. Denn die Verordnung selbst verlangt in diesem Fall die Tötung.

Nach ausführlicher Erläuterung aller noch offenen Fragen bekamen die Prozessbevollmächtigen noch einmal die Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme. Hiernach erklärte der Vorsitzende, dass man sich im Anschluss an die mündliche Verhandlung zur Beratung zurückziehen würde, eine Urteilsverkündung am heutigen Tage jedoch nicht mehr erfolgen werde. Auch möchte das Gericht von einer schriftlichen Zustellung des Urteils absehen und von der Möglichkeit einer mündlichen Verkündung seiner Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen. Hierzu wurde der 30.05.2001 bestimmt. Jedoch könnte er uns schon heute mitteilen, dass das Gericht, mit Hinblick auf die Bundesgesetzgebung, eine Revision zulassen werde.

Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es dem Gericht nach meinem Empfinden gelungen ist, seiner Zielsetzung, der sachlichen Behandlung des Themas, voll und ganz zu entsprechen. Durchgehend erweckten die Richter den Eindruck der Sachlichkeit, wirkten sehr gut vorbereitet, hinterfragten die noch offenen Punkte sehr kritisch. Und vor allem, es war in Anbetracht des Medienrummels und dem politischen Aktionismus zu keiner Zeit der geringste Eindruck der Vorverurteilung zu verspüren. In seinem Schlusswort bedankte sich der Vorsitzende bei allen Anwesenden für die außerordentlich sachliche Diskussion und, besonders mit Hinblick auf die gefühlsmäßige Betroffenheit der Hundehalter, für den ruhigen Verlauf der Verhandlung.
Insofern gibt meines Erachtens der Verlauf der mündlichen Verhandlung Grund zur Hoffnung, dass wir am 30.05. ein gerechtes Urteil erwarten dürfen.

Thomas Henkenjohann
1. Vors. Verein gegen die Diskriminierung von Hund & Halter e. V:




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