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Stellungnahme zum Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30.05.2001


Freitag , der 15.06.2001

Das OVG in Lüneburg verkündete am 30.05.01 sein Urteil zu den am 21.05.01 verhandelten vier Normenkontrollklagen gegen die niedersächsische Gefahrtierverordnung (GefTVO): Kein Grund zu überschäumender Freude, auch kein Grund zur Panik. Jedenfalls kein großer Erfolg des Landwirtschaftsministers, jedoch ein erster Schritt gegen die niedersächsische Gefahrtier-verordnung.

Für nichtig erklärt, weil mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, wurden folgende Bestimmungen der GefTVO:

  • die Bestimmung, wonach Hunde der in § 1 Abs. 1 genannten Hunderassen nach bestandenem Wesenstest unfruchtbar gemacht werden müssen (§ 1 Abs. 4 GefTVO), da hierin ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erblickt wird,

  • die Bestimmung, wonach Hunde der in § 1 Abs. 1 genannten Rassen nach bestandenem Wesenstest weiterhin dem Maulkorbzwang unterliegen (§ 1 Abs. 6 S. 2 GefTVO), da hierin ebenfalls ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesehen wird,

  • die Bestimmung, wonach Hunde der in § 1 Abs. 1 aufgezählten Rassen bei nicht bestandenem Wesenstest getötet werden sollen, Hunde der in der Anlage 1 GefTVO genannten Rassen (sog. Kategorie -2- Hunderassen) jedoch nicht (§ 1 Abs. 5 GefTVO), weil hierin ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen wird,

  • die Einbeziehung der beiden Schutzhundrassen Rottweiler und Dobermann in die Kategorie-2, ohne die anderen "klassischen Schutzhundrassen" (Dogge, Schäferhund, Boxer) ebenfalls mit einzubeziehen (§ 2 Abs. 1 Anlage 1 Nr. 2 und 9 GefTVO), da hierin ebenfalls ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen wird. Die nicht genannten Rassen würden in Beißstatistiken nicht weniger genannt.

Die Nichtigkeit dieser Bestimmungen hat zur Folge, dass auch eine übergangsweise weitere Anwendung dieser Vorschriften nicht gerechtfertigt ist, d.h., nach Rechtskraft des Urteils sind diese Bestimmungen nicht mehr anwendbar.

Ferner wurde die Bestimmung des § 1 Abs. 1 GefTVO, wonach Hunde der in § 1 Abs. 1 GefTVO genannten Hunderassen einem strikten Haltungs-, Zucht- und Vermehrungsverbot unterliegen, ohne dass der Nachweis der Ungefährlichkeit im Einzelfall möglich sein soll, für rechtswidrig erklärt. Die Rechtswidrigkeit führt dazu, dass diese Bestimmung zunächst (obwohl rechtswidrig) weiterhin anwendbar bleibt, jedoch vom Verordnungsgeber, dem Land Niedersachsen, bis zum 31.12.01 durch eine Regelung zu ersetzen ist, die den Nachweis der Ungefährlichkeit bei Hunden der gemaßregelten Rassen ermöglicht. Die an die unwiderlegbar vermutete Gefährlichkeit anknüpfenden Bestimmungen in bezug auf die Kategorie-1-Rassen wären dann vom Tisch. Diesbezüglich müssen jedoch das betr. Bundesgesetz sowie die Tierschutzhundeverordnung unbedingt beachtet werden. Der Tenor aus den Urteilen des OVG Schleswig und des OVG Lüneburg sprechen aber auch ganz deutlich dafür, dass sich die Regelungen des Bundes, die an die unwiderlegbar vermutete Gefährlichkeit anknüpft, auf Dauer nicht halten lassen.

Für die als nichtig angesehenen Bestimmungen gilt folgendes: Diese sind erst ab Rechtskraft des Urteils nicht mehr anwendbar. Rechtskräftig wird das Urteil jedoch erst dann, wenn über die Revision beim Bundesverwaltungsgericht entschieden worden ist. Mit anderen Worten: Innerhalb der nächsten Zeit wird sich für die betroffenen Hundehalter nichts wesentliches ändern! Allerdings: Nach diesem Urteil wird es an den Verwaltungsgerichten sicher vorläufigen Rechtsschutz gegen Anordnungen der Behörden über Tötung und Unfruchtbarmachung von Kategorie-1-Hunden geben.

Aber: Es ist für die Kategorie-1-Hundehalter nach wie vor eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, welche nur nach Vorlage des polizeilichen Führungszeugnisses, des Sachkundenachweises und des bestandenen Wesenstests erteilt wird. Auch weiterhin handelt derjenige ordnungswidrig, der seinen Kategorie-1-Hund ohne Leine und Maulkorb führt. Bezüglich der Unfruchtbarmachungsanordnungen ändert sich zwar rechtlich auch zunächst nichts, hier ist aber ein Widerspruchsverfahren gegen diesen Bescheid als durchaus erfolgversprechend zu beurteilen. Spätestens das angerufene Verwaltungsgericht, das sich mit der Klage befassen muß, wird die Augen vor dem Urteil des OVG nicht verschließen können, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem positiven Urteil für den klagenden Hundehalter gerechnet werden kann.

Das auf den 1. Blick positiv erscheinende Urteil erweist sich bei näherer Betrachtung als brüchig. Ob das OVG tatsächlich nur den Maulkorb- und nicht den Leinenzwang für nichtig erklärt hat, ist nach wie vor unklar, hier muß die Urteilsbegründung abgewartet werden.

Die Tötung nach nicht bestandenem Wesenstest ist nur deshalb für nichtig erklärt worden, weil sie nach Ansicht des Gerichts gegen den Gleichheitssatz verstößt. D.h., dehnte man die Tötung nach nicht bestandenem Wesenstest auf die Kategorie-2-Hunderassen aus, läge kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz mehr vor!

Gleiches gilt für die Einbeziehung von Dobermann und Rottweiler: Erweiterte man die Liste um die anderen klassischen Schutzhundrassen bzw. um andere in Beißstatistiken auffällige Hunderassen, wäre der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Auffassung des Gerichts nicht mehr gegeben!

Problematisch: Das OVG unterstellt den in § 1 GefTVO genannten Hunderassen nach wie vor, dass sie grundsätzlich gefährlich seien, so dass auch weiterhin, selbst wenn das Urteil rechtskräftig werden würde, eine Ausnahmegenehmigung zur weiteren Haltung mit den entsprechenden Auflagen (polizeiliches Führungszeugnis, Sachkundenachweis, Wesenstest) erforderlich sein wird. Das Gericht erklärte zwar § 1 Ab.1 GefTVO für rechtswidrig, jedoch nur im Hinblick auf das generelle Haltungs-, Zucht- und Vermehrungsverbot ohne die Möglichkeit den Nachweis der Ungefährlichkeit im Ein-zelfalls führen zu können. Dieser Nachweis wird auch in Zukunft den Hundehaltern auferlegt bleiben.

In der mündlichen Urteilsbegründung führte das Gericht aus, ein milderes Mittel als das generelle Verbot bestimmter Hunderassen sei z.B. die Wiederholung des Wesenstests z.B. bei Halterwechsel. Würde das Land Niedersachsen - wie von Minister Bartels angedroht - jetzt von Listenhunden jährliche Wesenstests einfordern, wäre dies für die betroffenen Hundehalter kaum akzeptabel. Für das Land übrigens auch nicht: Die hierzu erforderlichen Tierärzte für Verhaltenskunde müßten erst noch ausgebildet werden, -zig neue Stellen für Hochschullehrer und Fachtierärzte müßten eingerichtet und finanziert werden. Kaum vorstellbar, dass das Land hierfür Geld übrig hat.

Fazit: Die Revision ist zwingend durchzuführen!


Rechtsanwälte:
Martin Hanske
Anke Nielsen


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