Hund und Halter e.V.
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Information zur derzeitigen Situation in Niedersachsen


Liebe Vereinsmitglieder und Hundefreunde,

die derzeitige Situation in Niedersachsen in bezug auf das Urteil Az.: 11 K 2877/00 vom 30.05.01 kann durchaus als ziemlich chaotisch bezeichnet werden.

Anlass hierzu sind einige erheblich voneinander abweichende Meldungen im Internet. Einerseits verkünden einige Aktivisten recht verbindlich: "Das Urteil, bezogen auf die Nichtigkeit des Maulkorbzwangs für geprüfte Liste1-Hunde ist rechtskräftig."

Andererseits erfuhren wir von einem Rundschreiben des Landwirtschaftsministeriums an die durchführenden Behörden, in dem diesen sinngemäß mitgeteilt wird, dass gegen das Urteil 11 K 2877/00 Revision eingereicht wurde, es hiermit nicht rechtkräftig sei, und die GefTVO in ihrer ursprünglichen Form weiterhin konsequent umzusetzen sei.

Dass die Anweisung des Ministeriums rechtlich doch ziemlich bedenklich ist, wurde nicht nur durch diverse Gespräche mit unseren(er) Rechtsanwälten/in deutlich, sondern es äußerte auch ein Richter seine Bedenken und zeigte sich sehr verwundert über diese Reaktion.

Nach ausführlicher Überprüfung durch unsere Mitglieder Frau RAin Anke Nielsen und Herrn RA Martin Hanske stellt sich die derzeitige Situation wie folgt dar: Wenn das OVG eine angegriffene Rechtsvorschrift für nichtig erklärt hat, wird diese Entscheidung für allgemeinverbindlich erklärt, d.h., die Ungültigkeit der Vorschrift ist gegenüber jedermann festgestellt und von allen Gerichten und Behörden zu beachten. Die Allgemeinverbindlichkeit tritt erst mit der Rechtskraft ein und nicht schon mit dem Ergebnis der Entscheidung. Da die im NK-Verfahren ergehende Entscheidung nur deklaratorisch wirkt, sind die Beteiligten wie alle von der Norm Betroffenen nicht gehindert, sich schon vorher auf die Ungültigkeit zu berufen; die Entscheidung ist nur vor Rechtskraft noch nicht verbindlich (Kopp/Schenke, § 47 Rn. 141 + 142).

(Deklaratorisch: das Bestehen/Nichtbestehen eines Rechts wird lediglich fest-/klargestellt im Gegensatz zu konstitutiv: durch den Rechtsakt, hier Urteil, wird ein Recht begründet/aufgehoben/gestaltet).

Das heißt im Klartext: Auf den Urteilsspruch des OVG kann man sich, auch wenn dieser noch nicht verbindlich ist, durchaus berufen. Wenn gegen einen Hundehalter trotz dieses Urteils ein ordnungsrechtliches Verfahren z. B. wg. Verstoßes gegen den Maulkorbzwang trotz bestandenem Wesenstest eingeleitet würde, stünden die Chancen, im hiergegen eingeleiteten gerichtlichen Verfahren zu obsiegen, besser als vorher.

Raten sollte man natürlich niemandem zu solch einem Verstoß, es sei denn, dass sich der betreffende Hundehalter von vornherein gern auf ein entsprechendes Verfahren einrichten möchte. Was heißt: über das notwendige Nervenkostüm verfügt und bereit ist, noch etwas mehr Geld in die Sache zu investieren.

Vor allem spricht in unserem Fall für die Verbindlichkeit des Urteilsspruchs vor Rechtskraft, dass das Land Niedersachsen gegen unser Urteil nicht in Revision gegangen ist, somit das Urteil akzeptiert. Wenn es jetzt eine Anordnung an die Behörden weitergibt, wegen der eingelegten Revision gegen das Urteil strikt nach GefTVO vorzugehen, setzt es sich zum einen zu dem Richterspruch und zum anderen zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch.

Trotz alledem, es hat sich an der Rechtslage insofern nichts geändert, als ein Verstoß gegen die "alte GefTVO" nach wie vor ordnungsrechtlich verfolgt werden kann.

In diesem Zusammenhang noch eine weitere Information: Es wurde ebenfalls behauptet, das Urteil des Tierschutzvereins Hannover sei am 04.08.01 nach Ablauf der vierwöchigen Revisionsfrist rechtskräftig geworden. Diese Information ist eindeutig falsch! Wäre es tatsächlich der Fall, dann bräuchten wir uns heute nicht darüber den Kopf zerbrechen, ob die in unserem Urteil für nichtig erklärten Punkte nun rechtskräftig sind oder nicht.

Nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer des Tierschutzvereins Hannover, Herrn Schwarzfeld, und dem Rechtsbeistand des Tierschutzvereins Lüneburg konnte ich erfahren, dass beide Urteile, die in den hier zur Rede stehenden Punkten dem unseren gleichen, den Rechtsanwälten noch nicht zugestellt wurden. Eine Rücksprache mit der Geschäftsstelle des 11. Senats des OVG Lüneburg am 09.08. ergab, dass beide Urteilsbegründungen noch nicht einmal vom zuständigen Berichterstatter fertig gestellt sind und der Geschäftsstelle noch nicht vorliegen. Die Frist für die Fertigstellung würde auch erst am 30.08. ablaufen. Nicht auszuschließen ist es meiner Meinung, dass der Grund für die Verzögerung ein politisch motivierter ist.

Wie heißt es in einem gebräuchlichen Sprichwort? Wer sich rechtfertigt, der entschuldigt sich. So möchte ich bitte nachfolgende Erklärung nicht verstanden wissen. In den letzten Wochen erhielten wir einige telefonische und schriftliche Anfragen, ob wir gegen das Urteil des OVG Lüneburg Revision einlegen würden. Auf unsere Antwort erfolgten in einigen Fällen Unmutsbekundungen, in denen uns Hundehalter mitteilten, dass sie mit dem Urteil (der Maulkorbbefreiung) völlig zufrieden wären und wir es doch jetzt dabei belassen sollten.

Der Vorstand, beraten durch unseren ausgezeichneten Rechtsbeistand, sieht sich in erster Linie als Vertreter der Tiere aber auch der Hundefreunde. Und so kamen wir einstimmig zu dem Entschluss, dass wir weder unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes noch unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten dieses Urteil akzeptieren können. Der weiterhin bestehende ständige Leinenzwang für ungefährliche Hunde ist von der Entscheidung des Gerichts her nicht nur inkonsequent, sondern extrem tierschutzwidrig und aus unserer Sicht absolut unakzeptabel. Das Gleiche gilt für die weiterhin bestehende Rassenliste, die mit ihren weitläufigen Auswirkungen ("Kampfhunde"-steuer, Wohnraumverlust, Beförderungsverbote etc.) extrem tierschutzwidrige Bedingungen schafft. Betrachtet man die umfangreiche Rassenliste der Hundeverordnung NRW, wird auch der letzte Zweifler eingestehen müssen, dass unsere Volksvertreter mit ihrem bisher noch ungebremsten Erfindungswahnsinn in Sachen Hund längst noch nicht im

Endstadium angelangt sind. Ein Blick nach Bayern auf die geplante Erweiterung der bestehenden Rassenliste bekräftigt unsere Befürchtungen ebenso wie ein weiterer Blick nach Bremen, wo den Hundefreunden inzwischen ein noch schärferer Wind entgegen wehen soll. Sofern man sich dem Wunsch und Druck eines Neuzugangs im Senat aus dem Kreise der Berliner Politik anschließen wird.

Es ist nicht mehr (meiner Meinung nach schon lange nicht mehr) der vereinzelt auftretende "gemeine" Halter eines "Kampfhundes", sondern ganz allgemein der Hundehalter in der Stadt, der inzwischen vielerorts geschickt zum gesellschaftlichen Störfaktor heraufbeschworen wurde und auf der Abschussliste der politischen Entscheidungsträger steht. Es wurde ein Negativbild vom Hund geschaffen, dass diesem als ältesten Begleiter und treuestem Freund des Menschen in keiner Weise gerecht wird. Der Wert des Hundes wird nicht mehr gemessen an seinen vielfältigen positiven Einsatzmöglichkeiten sowie seinen liebenswerten und angenehmen Charaktereigenschaften, sondern lediglich noch an seinen Ausscheidungen und einer eventuell in ihm schlummernden Gefährlichkeit.

Wir möchten diese Entwicklung nicht nur stoppen, sondern ihr durch weitere Maßnahmen gezielt entgegen wirken. Um dieses anspruchvolle Ziel zu erreichen, halten wir die Abschaffung der unhaltbaren und tierschutzrelevanten Rassenlisten für absolut notwendig. Der juristische Widerstand, wie zur Zeit von uns betrieben, sowie eine sachlich fundierte Aufklärung, sind nur zwei Möglichkeiten die wir gemeinsam mit Tier- und Hundefreunden gehen möchten.

Ich hoffe, dass wir für den von uns eingeschlagenen Weg nicht nur auf Ihre/Eure ungeteilte Zustimmung hoffen dürfen, sondern das wir auch weiterhin auf das uns bisher entgegengebrachten Vertrauen und die Unterstützung zählen können.

Mit freundlichen Grüßen Ihr/Euer

Thomas Henkenjohann



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