Hund und Halter e.V.

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Stellungnahme zu Fragen zum Thema der besonderen Gefährlichkeit von Hunden auf Grund der Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen



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A. Univ. Prof. Dr. Irene Stur
Institut für Tierzucht und Genetik
Veterinärmedizinische Universität
A-1210 Wien, Veterinärplatz 1
e-mail: Irene.Stur@vu-wien.ac.at






1.) Das vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene sog. Qualzuchtgutachten (Gutachten zur Auslegung von § 11 b des Tierschutzgesetzes) und der hier relevante Absatz 2.1.1.2.6 "Verhaltensstörung: Hypertrophie des Aggressionsverhaltens" wird vom Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium dahingehend ausgelegt, dass das hypertrophe Aggressionsverhalten genetisch bedingt sei und das wissenschaftlich zweifellos nachgewiesen wurde, dass bei den Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier diese genetische Veranlagung des krankhaft übersteigerten Aggressionsverhalten grundsätzlich vorhanden sei.
Nach unseren Informationen existieren diesbezüglich aber nicht einmal wissenschaftliche Schätzverfahren. Von einem wissenschaftlichen Nachweis, wie behauptet, kann unseres Erachtens insofern überhaupt keine Rede sein. Können Sie der Aussage des Landwirtschaftsministeriums bzw. der Auslegung des Gutachtens durch das Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums beipflichten?


Eine valide wissenschaftliche Studie, in der zweifellos nachgewiesen wurde, dass bei den Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier die genetische Veranlagung des krankhaft übersteigerten Aggressionsverhaltens grundsätzlich vorhanden ist, existiert meines Wissens nicht.


2.) Das o. g. Gutachten wird vom Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium als neueste wissenschaftliche Erkenntnisse bezeichnet. Die hier zugrunde liegenden Arbeiten stammen aus den Jahren 1969, 1971, 1985 und 1996. In den Jahren 1997 - 1999 wurde das Thema "gefährliche Hunde" in der niedersächsischen Landespolitik durchaus noch sachlich diskutiert.
Sind aus den im "Qualzuchtgutachten" benannten Arbeiten und dem Gutachten als solches wissenschaftliche Erkenntnisse ergangen, die den politischen Entscheidungsträgern in den Jahren 1997-1999 noch nicht zur Verfügung gestanden hätten?


Aus dem o.g. Gutachten in der mir vorliegenden Form gehen eigentlich keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse hervor, sodass davon auszugehen ist, dass der Wissensstand, der die Grundlage des o.g. Gutachten ist auch in den Jahren 1997 bis 1999 den politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung stand.


3.) Die im o. g. Gutachten zugrunde liegenden Arbeiten von Fox und Schenkel beziehen sich auf die Erforschung des Aggressionsverhaltens von Wölfen und Haushunden allgemein, definiert wird hier Art und Ausmaß und das Aggressionsverhalten als solches. Die Arbeiten des Biologen Lockwood beschränken sich auf Analysen von Presseschlagzeilen die über Angriffe von Hunden berichten und die Auswertung von entsprechenden Statistiken. Die von Frau Dr. Feddersen-Petersen erwähnte Arbeit befasst sich damit, dass hypertrophe Aggressionsverhalten zu definieren und die Auswirkungen dieses Verhaltens mit Hinblick auf das Tierschutzgesetz zu beurteilen.

a) Zielten die o. g. Arbeiten darauf ab, wissenschaftlich abgesicherte Forschungsergebnisse über den genetischen Einfluß auf das krankhaft übersteigerte Aggressionsverhalten bei Hunden zu erhalten?

Im o.g. Gutachten zitierte Arbeiten (FOX und SCHENKEL) stellen deskriptiv ethologische Studien dar, in denen die Ontogenese hundlichen Verhaltens beschrieben und u.a. auch die Rolle aggressiver Verhaltensweisen diskutiert wird. Das Zitat FEDDERSEN-PETERSEN ist in der mir vorliegenden Fassung des Gutachtens als "persönliche Mitteilung" deklariert und ist damit nicht als ausreichend informatives wissenschaftliches Literaturzitat anzusehen, da die Nachvollziehbarkeit der der Aussage zugrundeliegenden Studie mangels Informationen über Material und Methodik sowie über exakte Ergebnisse nicht gegeben ist. In keiner der Studien ist aber die Untersuchung genetischer Grundlagen aggressiver Verhaltensweisen als Studienziel erkennbar und in keiner der zitierten Arbeiten sind Untersuchungsmaterial und -methodik geeignet, die Frage nach der genetischen Grundlage von Verhaltensweisen zu beantworten.
Die Publikation von LOOKWOOD ist eine Literaturstudie in der sich der Autor sehr kritisch und sachlich und epidemiologisch korrekt mit dem Problem der Aggression des Hundes auseinandersetzt. Dabei diskutiert der Autor auch die Problematik der genetischen Grundlagen von Aggression. Dabei kommt er zu folgenden Schlüssen:

4.) Auch wenn verschiedene Verhaltensmerkmale in verschiedenen Rassen züchterisch bearbeitet werden gibt es doch keine Untersuchungen, die zu eindeutigen und abgesicherten Ergebnissen über die genetische Grundlage dieser Merkmale führen.

5.) Da Aggression auf der Basis verschiedenster Verhaltensmuster entstehen kann, die eine unterschiedliche genetische Grundlage haben, ist auch die genetische Grundlage von aggressivem Verhalten als sehr komplex und uneinheitlich anzusehen.

6.) Gezielte Selektion kann innerhalb von Rassen zu erhöhter Aggressivität führen, wobei speziell bei Rassen, die für Kampfzwecke verwendet wurden, diese Selektion innerhalb bestimmter Linien stattgefunden hat. Nach Ansicht des Autors ist das Problem der sogenannten "Kampfhunderassen", dass die für den Kampf gezüchteten und die als Familienhunde gezüchteten Linien zwar seit vielen Generationen getrennt gezüchtet werden, sich aber in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht voneinander unterscheiden und daher z.B. ein Pitbull aus einer aktuellen Kampflinie sich äußerlich nicht von einem Hund der gleichen Rasse, der aber genetisch "50 Generationen vom Kampfring entfernt ist", unterscheiden lässt.

7.) Was einen Hund tatsächlich gefährlich macht sind einerseits komplexe genetische Einflüsse auf sein Verhalten, die sich von Individuum zu Individuum unterscheiden sowie ebenso komplexe und unterschiedliche Umwelteinflüsse.

Wörtliches Zitat des Autors: "This multiplicity of interacting factors in dog bite makes it difficult and often meaningless to base predictions of a particular animals aggresive behaviour on a single characteristic, such as breed" (Die Vielfalt an interagierenden Faktoren, die dazu führen, dass ein Hund beisst, machen es schwierig bis unmöglich, eine Vorhersage in Hinblick auf aggressives Verhalten eines Hundes auf der Basis eines einzelnen Merkmals, wie der Rasse zu machen)
Er diskutiert weiter die verschiedenen Faktoren, die dazu führen können, dass ein Hund beisst und weist auch klar auf die in vielen Studien beobachtete größere Häufigkeit von Bissen durch männliche Hunde hin. Dieser Zusammenhang ist auch biologisch plausibel, da das männliche Geschlechtshormon Testosteron aggressionsfördernde Wirkung hat (FABER und HAID, 1972). Es werden zudem verschiedene Arbeiten zitiert, die sich mit der Häufigkeit von Bissverletzungen durch Hunde verschiedener Rassen beschäftigen. Keine dieser zitierten Arbeiten entspricht aber von Studiendesign bzw. von der statistischen Auswertung her den epidemiologischen Anforderungen an eine valide Studie zur Absicherung der besonderen Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen (siehe auch Punkt b)

b) Läßt sich aus den Ergebnissen dieser Arbeiten wissenschaftlich abgesichert nachweisen, daß bei den Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier oder auch anderen als "Kampfhunde" stigmatisierten Rassen grundsätzlich genetisch bedingt ein krankhaft übersteigertes Aggressionsverhalten auftritt?

Aus keiner der zitierten Arbeiten lässt sich wissenschaftlich abgesichert nachweisen, dass bei bestimmten Rassen grundsätzlich genetisch bedingt ein krankhaft übersteigertes Aggressionsverhalten auftritt. Die Arbeiten von FOX und SCHENKEL sind wie oben erwähnt rein deskriptiv ethologische Arbeiten. Eine von FEDDERSEN-PETERSEN 1996 veröffentliche Publikation, die möglicherweise der Aussage der "persönlichen Mitteilung" entspricht ist ebenfalls ausschließlich als deskriptiv ethologische Fallstudie anzusehen, in der sie auf der Basis zitierter Literaturstellen (u.A. SCHLEGER, 1983) Hyperaggressivität in bestimmten Zuchtlinien als qualzuchtrelevant argumentiert. Aber auch in dieser Publikation werden keine Zahlen genannt (in der Diktion werden ausschließlich semiquantitative Begriffe, wie "mitunter", "nicht selten", "oftmals" verwendet) und damit entspricht diese Arbeit ebenfalls keineswegs den epidemiologisch methodischen Anforderungen an eine Studie, mit der die besondere Gefährlichkeit bestimmter Rassen zu beweisen wäre.

Die Publikation von LOOKWOOD liefert ebenfalls keinen wissenschaftlich abgesicherten Nachweis, dass bei den oben genannten Rassen grundsätzlich genetisch bedingt ein krankhaft übersteigertes Aggressionsverhalten auftritt. So zieht der Autor selber das Resumee: "problems of irresponsible ownership are not unique to pitbulls or to any other breed, nor will they be in future" (Die Probleme einer verantwortungslosen Hundehaltung sind weder heute noch in Zukunft auf Pitbull oder andere Rassen beschränkt).

Der Autor liefert zudem eine biologisch und epidemiologisch plausible Erklärung dafür, dass bestimmte Rassen immer wieder an der Spitze von Bissstatistiken auftauchen. Nach einer vom Autor zitierten Studie von MOORE (1987) sind 87% aller beißenden Hunde unkastrierte Rüden. Gleichzeitig waren bei den Rassen, die in seiner Bissstatistik am häufigsten auftraten zwischen 86% und 98% der beißenden Hunde unkastrierte Rüden. Die große Häufiigkeit von beissenden Hunden einer bestimmten Rasse ergibt sich also in erster Linie aus der größeren Häufigkeit von Rüden. Dies zeigt eine typische Confounder-Situation, die ansonsten in keiner der zahlreichen Statistiken und Studien zu Beißvorfällen berücksichtigt wird und somit auch einer der Gründe dafür ist, dass diese Statistiken aus methodisch epidemiologischer Sicht ein verzerrtes und somit nicht gültiges Ergebnis liefern.

8.) Im sog. "Qualzuchtgutachten" spricht man von betroffenen Zuchtlinien. Das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium sowie in der Begründung zum ursprünglichen geplanten Wesenstest für Zuchttiere der drei benannten Rassen, spricht man von der Zuchtlinie Pit Bull Terrier, der Zuchtlinie Bullterrier und der Zuchtlinie American Staffordshire Terrier.
a) Ist diese Bezeichnung in diesem Zusammenhang aus wissenschaftlicher Sicht als korrekt anzusehen?


Diese Bezeichnung ist insofern nicht korrekt, da Bullterrier und American Staffordshire Terrier von der FCI anerkannte Rassen darstellen, während der Pitbullterrier von der FCI als Rasse nicht anerkannt ist. Zuchtlinien hingegen sind Teilpopulationen von Rassen (siehe Frage 4 b). Es sollte daher von Gesetzgeber präzisiert werden was in diesem Zusammenhang gemeint ist. In Hinblick auf Bullterrier und American Staffordshire Terrier wäre daher entweder von der Rasse "XY" zu sprechen oder von Zuchtlinien der Rasse "XY". In Hinblick auf den Pitbullterrier ist weder die eine noch die andere Bezeichnung richtig, da Pitbullterrier keine anerkannte Rasse darstellen und es daher auch keine Linien gibt.
b) Welcher Unterschied besteht zwischen Rasse und Zuchtlinie?

Rassen sind Gruppen von Individuen einer Art, die sich in bestimmten Merkmalen von anderen Individuengruppen unterscheiden und diese Merkmalsvariationen vererben.

Unter Linien versteht man Teilpopulationen innerhalb von Rassen, die genetisch einheitlicher sind als die Rasse zu der sie gehören. Innerhalb Linien herrscht in allgemeinen ein höheres Inzuchtniveau als in der Gesamtrasse. Die innerhalb der Linie konsolidierten Merkmale werden mit höherer Sicherheit vererbt. Linien können auf der Basis bestimmter Merkmale erstellt werden (z.B. Jagdleistungslinien innerhalb Rassen) oder auf der Basis bestimmter Abstammungen (Abstammungslinien, die z.B. auf einen bestimmten Rüden zurückgehen)

5) Welche genetischen Unterschiede lassen sich zwischen Zuchtlinie, Rasse und Tierart wissenschaftlich bestimmen bzw. belegen?

Arten sind Gruppen von Tieren mit gemeinsamen genetischen Merkmalen. Zwischen Tieren einer Art besteht Fortpflanzungskontinuität (Fortpflanzung ist möglich) - zu Tieren anderer Arten besteht Fortpflanzungsdiskontinuität (Fortpflanzung ist nicht möglich).
Die Feststellung der Zugehörigkeit eines Tieres zu einer Art ist auf der Basis einer molekulargenetischen Analyse eindeutig möglich.
Die Feststellung der Zugehörigkeit eines Tieres zu einer Rasse ist allenfalls auf der Basis äußerer rassetypischer Merkmale, nicht aber auf der Basis einer molekulargenetischen Analyse und damit im Einzelfall auch niemals eindeutig möglich.

Die Feststellung der Zugehörigkeit eines Tieres zu einer Linie ist allenfalls auf der Basis von Abstammungs- und/oder Leistungsunterlagen möglich und damit im Einzelfall auch niemals eindeutig möglich.

6) Sind der Wissenschaft Zuchtlinien der benannten Hunderassen oder auch anderen als "Kampfhunde" stigmatisierten Hunderassen bekannt, bei denen grundsätzlich bei jedem Nachkommen mit hypertrophen Aggressionsverhalten zu rechnen ist?

Die einzige mir bekannte Arbeit, die sich mit hypertrophem Aggressionsverhalten bei einer der genannten Rassen beschäftigt ist die Studie von SCHLEGER (1983). Sie erklärt den Bullterrier als angeblich besonders aggressive Rasse, bei der selbst arterhaltende Funktionskreise wie Paarung und Welpenaufzucht durch extrem aggressives Verhalten der Paarungspartner gegeneinander bzw. der Mutter zu ihren Welpen gestört sind. Das beobachtete Untersuchungsmaterial umfasste allerdings nur 11 Würfe mit insgesamt 58 Welpen. Die Studie ist zudem ebenfalls als rein deskriptive ethologische Studie angelegt, es fehlen exakte Zahlenangaben zur tatsächlichen Häufigkeit beobachteteter aggressiver Verhaltensweisen und es fehlt auch jegliche vergleichende Statistik. Die Studie genügt somit in keiner Weise den methodisch epidemiologischen Anforderungen an eine Studie zur Abklärung von Rasseprädispositionen und ist somit keinesfalls geeignet, als wissenschaftlicher Beweis für die besondere Gefährlichkeit einer bestimmten Hunderasse zu dienen. Zudem lag im Untersuchungszeitraum in der betreffenden Bullterrierpopulation ein sehr hoher Inzuchtkoeffizient vor (zwischen 19% und 22%), da seit 1960 zur Verbesserung des Rassestandards einige Bullterrier aus England importiert wurden und in der Folge enge Linienzucht auf einige wenige Ahnen betrieben worden war. Die beobachteten aggressionsbedingten Probleme sind somit eher als inzuchtbedingte Konsolidierung von ethopathieauslösenden Defektgenen bei einzelnen Nachkommen aus einer Abstammungslinie zu sehen, denn als rassetypische Verhaltensweisen. Auch wenn in einer Zuchtlinie solche Defektgene gehäuft auftreten, ist dennoch nicht bei jedem Nachkommen aus einer solchen Linie damit zu rechnen, dass hypertrophes Aggressionsverhalten auch tatsächlich auftritt, da selbst in hoch ingezüchteten Linien zwischen den Tieren normalerweise genetische Varianz vorliegt.

7) Falls Frage 6 mit ja beantwortet werden kann: Um welche Zuchtlinien handelt es sich? a) Treten diese Zuchtlinien in Deutschland auf?

In wissenschaftlichen Arbeiten werden Daten grundsätzlich anonymisiert ausgewertet, sodass dazu keine Informationen vorliegen.

8) Lässt sich aus dem Qualzuchtgutachten und den benannten Arbeiten aus wissenschaftlicher Sicht tatsächlich ableiten, dass das krankhaft gesteigerte Aggressionsverhalten genetisch bedingt ist bzw. lässt das Resultat diese Aussage zu?

Weder aus dem Qualzuchtgutachten noch aus den zitierten Arbeiten ist ein Hinweis auf eine genetische Grundlage von krankhaft gesteigertem Aggressionsverhalten eindeutig ableitbar. Eine Studie über die genetische Grundlage von gesteigertem Aggressionsverhalten wäre aus populationsgenetischer Sicht nur mit einem sehr hohen Aufwand durchzuführen und wäre in jedem Fall mit diversen methodischen Problemen belastet. So stellt z.B. das üblicherweise im Bereich der Hundezucht zur Verfügung stehende Datenmaterial so gut wie immer eine verzerrte und damit nicht repräsentative Stichprobe dar. Da man beim Aggressionsverhalten sicher nicht von einem einfachen mendelnden Erbgang ausgehen kann (siehe auch Frage 3), ist eine einfache Erbgangsanalyse sicher nicht für die Abklärung der genetischen Grundlage geeignet, zumal dabei auch eine Trennung von vererbtem und tradiertem Verhalten so gut wie nicht möglich ist. Für eine aussagekräftige Schätzung der Heritabilität (= genetischer Anteil an der Ausprägung eines Merkmals) des gesteigerten Aggressionsverhaltens wäre die Analyse einer größeren Zahl von väterlichen Halbgeschwistergruppen mit ausreichender Gruppengröße notwendig, die vollständig und im Rahmen eines standardisierten und auf diagnostische Effizienz geprüften Verhaltenstests (siehe Anhang) auf gesteigerte Aggressivität untersucht werden müssten. Ein solcher Test ist per se mit Schwierigkeiten belastet, da eine Beurteilung des Verhaltens nur auf subjektiver Basis möglich ist und damit der Beurteiler selber eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle in Hinblick auf ein valides und präzises Ergebnis darstellt.

Die genaue Anzahl benötigter Tiere für eine solche Untersuchung lässt sich vorab nur schwer abschätzen, hier wäre es notwendig zuvor im Rahmen einer Pilotstudie die Merkmalsvarianz in der Population zu erfassen. Da solche Studien meines Wissens bis jetzt noch nicht durchgeführt wurden ist eine genaue Aussage über die genetische Grundlage und damit auch über den genauen Anteil des genetischen Einflusses auf gesteigerte Aggressivität nicht möglich.

9) Wie hoch (prozentualer Anteil) ist aus wissenschaftlicher Sicht der genetische Einfluss auf das Tierverhalten? Über den genauen Anteil ist eine Aussage bisher nicht möglich, empirisch gesehen gehören Verhaltensmerkmale zu den Merkmalen mit niedriger Heritabilität, das bedeutet, dass nur ein geringer Anteil der Merkmalsvarianz in der Population auf genetischen Unterschieden beruht, während der weitaus größere Teil der Varianz durch Unterschiede in der Umwelt zu erklären ist. Zu beachten ist auch, dass unterschiedliche Verhaltensweisen durchaus unterschiedliche Heritabilität aufweisen können. Eine Übersichtsstudie von WILLIS (1995) in der verschiedene Studien zur Heritabilität von Verhaltensmerkmalen bei verschiedenen Hunderassen zitiert werden, die aber alle aus den oben erklärten Gründen mit mehr oder weniger großen methodischen Problemen belastet sind, zeigt fast durchwegs niedrige bis sehr niedrige und für verschiedene Verhaltensweise und in verschiedenen Rassen unterschiedliche Heritabilitätswerte. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass geschätzte Heritabilitätswerte immer nur für die Population und für die Generation gelten, in der sie geschätzt worden sind. Die Heritabilität von aggressivem Verhalten wurde in diesen Studien nicht bearbeitet und wird auch vom Autor als ungeklärt diskutiert.

10) Einer Verhaltensontogenese über den American Staffordshire Terrier lag die Untersuchung von 3 Würfen mit insgesamt 21 Hunden zugrunde. Diese Tiere wurden von der Geburt bis zum 50. Lebenstag ca. 5 Stunden im Zwinger beobachtet. a) Über einen wie großen Zeitraum müssten wie viele Tiere einer Rasse nach Ihrer Ansicht untersucht werden, um einen wissenschaftlich gesicherten Nachweis über den Einfluss der Genetik auf das krankhaft übersteigerte Aggressionsverhalten dieser Hunderasse führen zu können?

Die Beobachtung verschiedener Würfe innerhalb einer Rasse ergibt grundsätzlich nur dann einen Hinweis auf die genetische Grundlage bestimmter Verhaltensweisen, wenn Würfe verschiedener Väter miteinander verglichen werden und man davon ausgehen kann, dass die Zwingerumwelt etwa gleich ist. Unterschiede zwischen den Nachkommen verschiedener Väter in Bezug auf Auftreten und Verteilung bestimmter Merkmale sind ein Hinweis auf eine genetische Grundlage dieser Merkmale. Bei ausreichender Anzahl an Halbgeschwistergruppen in ausreichender Größe lässt sich auf dieser Basis die Heritabilität von Merkmalen schätzen (siehe Frage 8). Der Zeitraum der Untersuchung ist für das Ergebnis weniger wichtig als die Art der Untersuchung wobei insbesondere die diagnostische Effizienz des Untersuchungsverfahrens von Bedeutung ist (siehe Anhang). Zu beachten ist allerdings, dass selbst bei adäquater Versuchsanordnung, das Ergebnis nur für den Beobachtungszeitraum gültig ist, es sei denn, es existieren valide Studien über den prognostischen Wert von bestimmten Verhaltensweisen im Welpenalter in Hinblick auf spätere Verhaltensweisen im Erwachsenenalter. Die Zahl der zu untersuchenden Tiere/Würfe ist im voraus relativ schwierig festzulegen (siehe Frage 8). Die Auswertung von drei Würfen, selbst wenn sie von verschiedenen Vätern stammen, ist in Hinblick auf die Fragestellung nach der genetischen Grundlage von Merkmalen in jedem Fall unzureichend, da der genetische Einfluss der Mütter das Ergebnis verfälschen könnte. Für die Schätzung der Heritabilität auf der Basis des Vergleichs väterlicher Halbgeschwister sollten die Halbgeschwister nach Möglichkeit von verschiedenen Müttern stammen.

b) Kann das Ergebnis einer einzigen oben beschriebenen Untersuchung auf die ganze Rasse projiziert werden?

Sofern die untersuchten Würfe als repräsentative und unverzerrte Stichprobe aus der gesamten Rassepopulation anzusehen sind und für den Fall, dass tatsächlich signifikante, nicht zufällige Unterschiede zwischen den Würfen verschiedener Väter bei korrektem Studiendesign und korrekter Studiendurchführung nachgewiesen werden konnten, wäre das Ergebnis in Hinblick auf das Vorliegen einer genetischen Grundlage bestimmter Verhaltensweisen für die ganze Rasse gültig. Da das oben beschriebene Studiendesign aber nicht geeignet ist, die Frage nach der genetischen Grundlage von Verhaltensmerkmalen zu beantworten (siehe Punkt a), sondern allenfalls geeignet ist eine deskriptive Analyse der Verhaltensontogenese von drei Würfen durchzuführen, die nicht als repräsentative Stichprobe der Rassepopulation angesehen werden können, ist das Ergebnis der Studie nicht auf die gesamte Rasse umzusetzen.

c) Lassen sich durch das Ergebnis einer einzigen oben beschriebenen Untersuchung rassespezifische Maßnahmen rechtfertigen? Eine Untersuchung, wie ich sie in Beantwortung der Frage 10a und 10b skizziert habe (Untersuchung der Heritabilität von Verhaltensmerkmalen), kann sicher nicht als Rechtfertigung für rassespezifische Maßnahmen angesehen werden, da diese Studie nur belegen würde, dass bestimmte Verhaltensweisen eine genetische Grundlage haben, aber nicht als Hinweis zu interpretieren wären, dass diese Verhaltenweisen in der untersuchten Rasse gehäuft auftreten. Zur Beantwortung dieser Frage wäre ein ganz anderes Studiendesign, das in jedem Fall vergleichende Untersuchungen zwischen verschiedenen Rassen erfordern würde, notwendig. Und diese Frage lässt sich ganz sicher nicht durch Beobachtung von drei Würfen egal über welchen Zeitraum klären (siehe Punkt b) und damit wäre in Hinblick auf diese Frage auch die Beobachtung von drei Würfen nicht aussagekräftig für die gesamte Rasse.
Als Voraussetzung für die Rechtfertigung rassespezifischer Maßnahmen wäre ausschließlich eine korrekt angelegte Studie an repräsentativen Stichproben verschiedener Rassen bzw. aus der gesamten Hundepopulation geeignet, in der zumindest folgende Voraussetzungen zu erfüllen wären:

1.) korrektes Studiendesign
2.) repräsentative unverzerrte Stichprobe aus verschiedenen Rassen bzw. aus der gesamten Hundepopulation
3.) geeigneter standardisierter und auf diagnostische Effizienz und Validität untersuchter Wesenstest (siehe Anhang) oder
4.) repräsentative unverzerrte Daten über Bissvorfälle
5.) korrekte statistische Auswertung unter Miteinbeziehung möglicher Confounder (Alter, Geschlecht, Haltungsbedingungen, Unfallhergang etc.) und Signifikanzprüfung.


Dass solche Studien bis jetzt nicht vorliegen, geht auch aus dem Ihnen zur Verfügung gestellten Text "Zur Frage der besonderen Gefährlichkeit von Hunden auf Grund der Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen" hervor. Die wesentlichsten Schwächen der dort zitierten Studien:

1.) Rein deskriptive Beschreibung von Häufigkeiten von Bissvorfällen in Rassen ohne Berücksichtigung der Gesamtzahl von Tieren einer Rasse

2.) Nichtberücksichtigung von Confoundern (wie z.B. Alter oder Geschlecht) in vergleichenden Studien (siehe Frage 3).

3.) Fehlende Signifikanzprüfung

11) Kann anhand der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass das hypertrophe Aggressionsverhalten ein rassespezifisches Problem darstellt oder muss man vielmehr davon ausgehen, dass es sich infolge sehr enger Linienzucht um eine inzuchtbedingte Konsolidierung ethopathieauslösender Defektgene in einer Abstammungslinie handelt?

Aus der Sicht aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse muss man davon ausgehen, dass hypertrophes Aggressionsverhalten in erster Linie ein umweltbedingtes Problem im Sinne einer problematischen Hund-Halter-Beziehung ist (siehe auch den Ihnen zur Verfügung gestellten Text "Zur Frage der besonderen Gefährlichkeit von Hunden auf Grund der Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen"). In Einzelfällen kann auf der Basis vererbter Ethopathien hypertrophes Aggressionsverhalten auch ein genetisches Problem darstellen, das aber nicht auf bestimmte Rassen beschränkt ist, sondern sporadisch in jeder Rasse auftreten kann.

12) Die heute in vielen steuer- und ordnungsrechtlichen Rassenlisten aufgeführten Hunderassen wie z. B. Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Dogo Argentino, Bordeaux Dogge usw. werden immer wieder von Politikern und auch von den Sensationsmedien aufgrund ihrer ursprünglichen Geschichte (Verwendungszeck / Zuchtselektion) als besonders gefährlich bezeichnet. Die dort aufgelisteten Rassen werden jedoch schon seit geraumer Zeit (70 Jahre und mehr) nach FCI-Standart gezüchtet und Eigenschaften wie z. B. Kampfkraft und Aggression sind seit dieser Zeit keine Zuchtkriterien mehr, vielmehr führt u. a. übermäßige Aggression zum Zuchtausschluß. Sind unter den zuvor genannten Gesichtspunkten (geschichtliche/r Verwendungszweck und Zuchtselektion -- heutige Zuchtbedingungen und -selektion) Rückschlüsse zu ziehen die es zulassen, den inkriminierten Hunderassen heute eine besondere bzw. gesteigerte Gefährlichkeit zu attestieren?

Grundsätzlich ist bei der Tierart Hund davon auszugehen, dass Aggression als arttypischer Wesenszug in allen Rassen genetisch verankert ist, da sowohl im Rahmen der Evolution als auch im Rahmen der Domestikation dieses Merkmal einem hohen Selektionsdruck ausgesetzt war. Aber auch bei genetisch konsolidierten Merkmalen liegt üblicherweise eine mehr oder weniger große genetische Varianz vor, die es zulässt durch Selektion eine Rasse in die eine oder andere Richtung zu verändern. Man kann daher, ausreichende Heritabilität vorausgesetzt, durchaus durch Selektion das durchschnittliche Aggressionsniveau einer Rasse in einem gewissen Ausmaß steigern oder senken.

In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Beobachtung, dass durch Selektion Aggressivität innerhalb einer Rasse gesteigert werden kann, nicht notwendigerweise als Beweis für eine hohe Heritabilität zu interpretieren ist. Hier muß bedacht werden, dass Züchter, die aggressive Hunde züchten wollen, ihre Welpen sicher von Beginn an anders behandeln werden und wohl auch in andere Hände abgeben werden, als Züchter, die Familienhunde züchten wollen. Auf erhöhte Aggressivität gezüchtete Hunde sind daher wohl in den meisten Fällen, vom Beginn ihres Lebens an aggressionsfördernden Umwelteinflüssen ausgesetzt, was dann fälschlicherweise den Eindruck einer genetisch bedingten erhöhten Aggressivität erwecken kann.

Merkmale, die züchterisch nicht begünstigt werden unterliegen dem Phänomen der genetischen Drift. Darunter versteht man zufällige Veränderungen von Genfrequenzen, die dazu führen können, dass eine züchterisch nicht bearbeitete Merkmalsvariation entweder stark reduziert wird, allenfalls aus der Population total verschwindet, oder aber sich in der Population anhäuft.

Wenn also der frühere Verwendungszweck einer heute inkriminierten Rasse erhöhte Aggression als Zuchtziel impliziert hat, ist bei veränderten Selektionsverhältnissen unter denen erhöhte Aggressivität nicht mehr begünstigt wird davon auszugehen, dass dieses Merkmal ab dem Zeitpunkt der Veränderung des Zuchtzieles durch genetische Drift beeinflusst wurde. Je länger genetische Drift wirkt, umso stärkere Abweichungen vom ursprünglichen Zuchtziel sind zu erwarten, wobei als Folge der genetischen Drift erhöhte Aggression einerseits gänzlich aus der Population verschwinden kann, sich aber anderseits auch stärker anreichern kann.

Wenn allerdings aktiv gegen erhöhte Aggression selektiert wird, ist je nach erzielter Selektionsintensität und Zeitdauer der Selektion eine Reduzierung der erhöhten Aggressivität zu erwarten. Das Ausmaß der Reduktion von Genen, die für erhöhte Aggressivität verantwortlich sind hängt einerseits von deren ursprünglicher Frequenz, anderseits von der Dauer der Selektion ab. Je höher die ursprüngliche Genfrequenz ist umso höher ist die Veränderung pro Generation. Außerdem ist das Ausmaß der selektionsbedingten Verdrängung davon abhängig, ob die zu verdrängenden Gene einem dominanten oder einem rezessiven Erbgang folgen. Dominante Gene lassen sich durch Selektion viel schneller aus einer Population entfernen als rezessive Gene.

Am Beispiel eines einfach rezessiven Erbganges soll eine ungefähre Vorstellung über das Ausmaß selektionsbedingter Genfrequenzveränderungen vermittelt werden. Ein rezessives Gen, das in einer Ausgangspopulation in einer relativen Häufigkeit von 50% vorliegt, wird durch Selektion durch Ausschluss von Merkmalsträgern nach 10 Generationen (etwa 50 Jahre) auf eine Häufigkeit von etwa 8% reduziert. Die genetische Grundlage von Aggressivität ist natürlich wesentlich komplexer zu sehen, nichtsdestoweniger ist davon auszugehen, dass durch Selektion gegen erhöhte Aggressivität über mehrere Generationen das durchschnittliche Aggressionsniveau einer primär hoch aggressiven Hunderasse auf ein Maß sinkt, das keinesfalls mehr den Schluss zulässt, dass bei einzelnen Vertretern dieser Rasse allein auf Grund ihrer Rassezugehörigkeit mit einem gegenüber Vertretern anderer Rassen erhöhten Aggressionsniveau zu rechnen ist. Dieser Meinung ist auch WILLIS (1995), der in seiner Literaturstudie zu dem Schluss kommt, dass es zwar sicher möglich ist, dass bei Hunden, die speziell für Hundekämpfe gezüchtet werden, durch Selektion die Aggressivität gegen Artgenossen deutlich erhöht wird, was aber impliziert, dass dieser Prozess innerhalb der Rasse auch umkehrbar ist, dass also innerhalb weniger Generationen, durch entsprechende Selektionsmaßnahmen die erhöhte Aggressivität wieder verdrängt werden kann. Dazu kommt noch, dass die besondere Gefährlichkeit eines einzelnen Hundes nur zu einem geringen Teil mit seinem genetisch bedingten Aggressionsniveau zusammenhängt. So kommt der Art der Aggression (Dominanzaggression, Territoriale Aggression, Beuteaggression, Verteidigungsaggression ) und der Höhe der Reizschwelle abgesehen von den zahlreichen Umwelteinflüssen, die das Verhalten des Hundes beeinflussen, ebenso eine große Bedeutung zu, wobei insbesondere die Reizschwelle zwar auch eine genetische Grundlage hat aber in wesentlich höherem Ausmaß von den Umweltbedingungen abhängt unter denen der Hund gehalten wird. So kann die Reizschwelle z.B. durch Bewegungsmangel drastisch sinken, was insbesondere den im Rahmen der Gefahrenabwehr verordneten Leinenzwang als äußerst problematische Maßnahme erscheinen lässt, da bei Hunden, denen die Möglichkeit fehlt ihr genetisch bedingtes Bewegungsbedürfnis auszuleben, die Reizschwelle zwangsläufig sinkt und sie dadurch de facto gefährlicher werden.

Anhang: Validität(Gültigkeit) und Reliabilität (Zuverlässigkeit) von Wesenstests:

Wesenstests im Rahmen der Gefahrenabwehr aber auch im Rahmen populationsgenetischer Studien stellen im epidemiologischen Sinn Screening-Untersuchungen dar, müssen daher auch die an Screeninguntersuchungen gestellten Anforderungen erfüllen.
Anforderungen an Screening Testverfahren nach BEAGLEHOLE et al., (1997):
1.) Kostengünstig
2.) Leicht durchführbar 3.) Akzeptabel für die Öffentlichkeit
4.) Standardisierte Untersuchungsbedingungen
5.) Zuverlässig
6.) Gültig

Insbesondere die Zuverlässigkeit und die Gültigkeit sind für ein Testverfahren, bei dem sich aus Bestehen oder Nichtbestehen derartig schwerwiegende Konsequenzen ergeben, wie beim Wesenstest für Hunde im Rahmen der Gefahrenabwehr, eine unverzichtbare Voraussetzung für die Berechtigung der Durchführung.

Zuverlässigkeit: Der Maßstab für die Zuverlässigkeit eines Testverfahrens ist seine Wiederholbarkeit - ein Maß dafür, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Wiederholung einer Beurteilung durch den gleichen Prüfer bzw. einen anderen Prüfer das selbe Prüfergebnis bringt. Als statistische Prüfverfahren für die Beurteilung der Wiederholbarkeit eignen sich Assoziationsmaße aus dem Bereich der Chi2-Statistik bzw. der Rangkorrelationskoeffzient nach Spearman.

Gültigkeit: Für die Gültigkeit eines Testverfahrens gibt es verschiedene Parameter, die bei einem bereits validierten Testverfahren auch als Qualitätskontrolle für einzelne Prüfer geeignet sind.
Sensitivität (Empfindlichkeit): ist der Anteil als krank erkannter Individuen unter den tatsächlich kranken Spezifität: ist der Anteil als gesund erkannter Individuen unter den tatsächlich gesunden Diagnostische Effizienz: ist der Anteil richtig krank erkannter plus richtig gesund erkannter an allen Untersuchten

(im Sinne eines Wesenstests im Rahmen der Gefahrenabwehr wäre das Wort "krank" allenfalls durch das Wort "gefährlich" zu ersetzen)

Sensitivität und Spezifität von diagnostischen Testverfahren sind gegenläufig, d.h. bei hoher Sensitivität ist die Spezifität geringer, bei hoher Spezifität ist die Sensitivität geringer. Zur Beurteilung ob ein Testverfahren über adäquate Sensitivität bzw. Spezifität verfügt, ist es wichtig, die Konsequenzen falsch positiver bzw. falsch negativer Befundung richtig einzuschätzen.
In Hinblick auf ungünstige Konsequenzen falsch negativer Befundung (gefährlicher Hund wird nicht als gefährlich erkannt) ist der Sensitivität des Tests besonderes Augenmerk zuzuordnen (ein möglichst hoher Anteil der tatsächlich gefährlichen Hunde sollte als gefährlich erkannt werden).
In Hinblick auf ungünstige Konsequenzen falsch positiver Befundung (ungefährlicher Hund wird als gefährlich eingestuft) ist der Spezifität des Tests besonderes Augenmerk zuzuordnen (ein möglichst hoher Anteil der nicht gefährlichen Hunde sollte als nicht gefährlich erkannt werden)

Die Zuverlässigkeit des Testverfahrens an sich und die Gültigkeit einzelner Tests durch die einzelnen Gutachter hängst in erster Linie auch von der Qualifikation der Gutachter ab.
Da ein nicht unbeträchtlicher Teil von Verhaltensstörungen eine organische Ursache hat, sollte die Wesensbeurteilung grundsätzlich dem Tierarzt vorbehalten bleiben und in jedem Fall auch eine gründliche klinische Untersuchung umfassen. Als grundsätzliche Qualifikation für die Durchführung von Wesenstests für den Kleintierpraktiker wäre meiner Ansicht nach eine Ausbildung und/oder Erfahrung im Bereich Verhaltenstherapie erforderlich sowie ein Fortbildungskurs in dem die Grundsätze einer standardisierten Screeninguntersuchung allgemein und im Speziellen an einem entsprechend validierten Wesenstest in Theorie und Praxis gelernt und geübt werden.

Literatur: Beaglehole, R., Bonita, R., Kjellström, T.(1997): Einführung in die Epidemiologie. Verlag Hans Huber, Bern,

Faber, H., Haid, H. (1972): Endokrinologie. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

Feddersen-Petersen, D. (1996): Verhaltensindikatoren zur graduellen Kennzeichnung von Leiden im Rahmen der Hundezucht, -aufzucht und -haltung. Tierärztl. Umschau 51., 171-179

Fox, M.W. (1971): Socio-infantile and socio-sexual signals in canids: a comparative and ontogenetic study. Zschr. Tierpsychol. 28, 185-210

Lockwood, R. (1995): The ethology and epidemiology of canine aggression. In: The domestic dog. Edited by J. Serpell. Cambridge University Press.

Schenkel, R (1967): Submission: ist features and function in the wolf and dog. Am. Zoologist 7, 319-329

Schleger, A. (1983): Geschichte und Entwicklung des Bullterriers - genetisch begründete Fitnessminderung in einer einseitig gezüchteten Hunderasse. Dissertation Universität Wien.

Willis, M.B. (1995): Genetic aspects of dog behaviour with particular reference to working ability. In: The domestic dog. Edited by J. Serpell. Cambridge University Press.




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