Hund und Halter e.V.

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Unsere Eingabe/Petition an den
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu:
Entwurf zur Tierschutz-Hundeverordnung /
Überprüfung der Zuverlässigkeit der Halter von sog. Kampfhunden /
Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde.



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Deutscher Bundestag
Petitionsausschuss
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax 030-227-760

07.11.2000


Eingabe/Petition zu: Entwurf zur Tierschutz-Hundeverordnung / Überprüfung der Zuverlässigkeit der Halter von sog. Kampfhunden / Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Kenntnisnahme des Entwurfes zur Tierschutz-Hundeverordnung, insbesondere des § 12, muss ich mit Erschrecken und Empörung feststellen, dass die Unsachlichkeit mit der das Thema "gefährliche Hunde" von den Verantwortlichen behandelt wird, inzwischen nicht mehr zu akzeptierende Formen angenommen hat. Ob es sich bei der Bearbeitung der betreffenden Thematik nun um eine bewusste Fehlinterpretation des tatsächlichen Sachverhaltes handelt oder ob die Fehler unbewusst auftreten, darüber vermag ich nicht zu urteilen. Diesbezüglich wäre ich Ihnen jedoch für eine entsprechende Aufklärung sehr dankbar.

Das vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten zur Auslegung des § 11 b des Tierschutzgesetzes und die entsprechende Passage "2.1.1.2.6 Verhaltensstörung: Hypertrophie des Aggressionsverhaltens" ist kaum dazu geeignet, um rassespezifische Maßnahmen wie z. B. ein Zuchtverbot und weitergehende Restriktionen zu rechtfertigen. Aus dem besagten Gutachten geht ganz deutlich hervor, dass ein übersteigertes Aggressionsverhalten in vielen Rassen und Zuchtlinien auftritt und dass der Erbgang nicht geklärt ist. Wird von verantwortlichen Politikern oder deren Mitarbeitern etwas Gegenteiliges behauptet, so entspricht dieses keinesfalls den Tatsachen.

Die dem Gutachten zugrunde liegenden Arbeiten beziehen sich u. a. auf das Ausdrucks- und Aggressionsverhalten bei Haushunden und Wölfen (Fox und Schenkel). Das Zitat von Frau Dr. Feddersen-Petersen ist im Literaturverzeichnis als "persönliche Mitteilung" deklariert und ist nach unserer Auskunft nicht als ausreichend informatives wissenschaftliches Literaturzitat anzusehen. In keiner der benannten Studien ist als Studienziel die Untersuchung genetischer Grundlagen aggressiver Verhaltensweisen erkennbar und in keiner der zitierten Arbeiten sind Untersuchungsmaterial und -methodik geeignet, die Frage nach der genetischen Grundlage von Verhaltensweisen zu beantworten.

Einem Schreiben von Frau Dr. Feddersen-Petersen an die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, welches sie uns freundlicherweise überlassen hat, ist zu entnehmen, dass von Frau Dr. Feddersen-Petersen nie verhaltensgestörte Zuchtlinien der Rassen Bullterrier, American Staffordshire Terrier und Pit Bull Terrier festgestellt wurden. Weiterhin heißt es in diesem Schreiben: Die Dissertationen und Diplomarbeiten über die sog. Kampfhunderassen erbrachten eben sehr unterschiedliche Ergebnisse, zeigten die große Variabilität in der "sozialen Potenz" auch dieser Rassen auf. Sog. Relikte im Verhalten, die mit einer Kampfhundevergangenheit in Zusammenhang gebracht werden können, gab es bei einigen Tieren - das Gros der Ergebnisse wiesen diese Tiere keineswegs als "verhaltensgestört" aus, vielmehr wurde der Einfluß des sozialen Umfeldes auf das, was aus dem Hund (egal welcher Rassezugehörigkeit) wird, sehr deutlich. Zitat Ende.

Die zitierte Arbeit des Biologen Lockwood ist als Literaturstudie anzusehen. Also, eine rein theoretische Arbeit, der weder eigene praktische ethologische Untersuchung noch eigene Forschungsergebnisse über den genetischen Einfluss auf krankhafte Verhaltensweisen zugrunde liegen.
Eine anerkannte Expertin, Frau Prof. Stur vom Institut für Tierzucht und Genetik an der Tiermedizinischen Universität in Wien, wurde von uns zu diesem Thema um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Hieraus möchte ich Ihnen gerne einige Zitate zur Kenntnisnahme unterbreiten.
Weder aus dem Qualzuchtgutachten noch aus den zitierten Arbeiten ist ein Hinweis auf eine genetische Grundlage von krankhaft gesteigertem Aggressionsverhalten eindeutig ableitbar. Eine Studie über die genetische Grundlage von gesteigertem Aggressionsverhalten wäre aus populationsgenetischer Sicht nur mit einem sehr hohen Aufwand durchzuführen und wäre in jedem Fall mit diversen methodischen Problemen belastet. So stellt z.B. das üblicherweise im Bereich der Hundezucht zur Verfügung stehende Datenmaterial so gut wie immer eine verzerrte und damit nicht repräsentative Stichprobe dar. Da man beim Aggressionsverhalten sicher nicht von einem einfachen mendelnden Erbgang ausgehen kann (siehe auch Frage 3), ist eine einfache Erbgangsanalyse sicher nicht für die Abklärung der genetischen Grundlage geeignet, zumal dabei auch eine Trennung von vererbtem und tradiertem Verhalten so gut wie nicht möglich ist.

Aus der Sicht aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse muss man davon ausgehen, dass hypertrophes Aggressionsverhalten in erster Linie ein umweltbedingtes Problem im Sinne einer problematischen Hund-Halter-Beziehung ist.....

.....In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Beobachtung, dass durch Selektion Aggressivität innerhalb einer Rasse gesteigert werden kann, nicht notwendigerweise als Beweis für eine hohe Heritabilität zu interpretieren ist. Hier muß bedacht werden, dass Züchter, die aggressive Hunde züchten wollen, ihre Welpen sicher von Beginn an anders behandeln werden und wohl auch in andere Hände abgeben werden, als Züchter, die Familienhunde züchten wollen. Auf erhöhte Aggressivität gezüchtete Hunde sind daher wohl in den meisten Fällen, vom Beginn ihres Lebens an aggressionsfördernden Umwelteinflüssen ausgesetzt, was dann fälschlicherweise den Eindruck einer genetisch bedingten erhöhten Aggressivität erwecken kann.
- Zitat Ende -

Eingangs wurde von mir die Unsachlichkeit bzw. mangelnde Bereitschaft der verantwortlichen Politiker und ihrer Mitarbeiter zur sachlichen und objektiven Auseinandersetzung mit der betreffenden Thematik kritisiert. Andernfalls ist es wohl kaum zu erklären, dass man ständig von der Zuchtlinie Bullterrier, der Zuchtlinie American Staffordshire Terrier und der Zuchtlinie Pit Bull Terrier spricht. Sind die kynologischen und veterinärmedizinischen Kenntnisse der zuständigen Mitarbeiter in den Ministerien derart schlecht, dass man hier nicht einmal den Unterschied zwischen einer Rasse und einer Zuchtlinie korrekt zu deuten weiß? Oder wurden hier ganz bewusst in diesem Zusammenhang die falschen Fachbegriffe verwendet, weil man sich ansonsten nicht mehr des Qualzuchtgutachtens hätte bedienen können, um die o. g. geplanten Vorhaben zu rechtfertigen?
Noch gravierender scheinen die Defizite im Kreise der Verfasser des Entwurfes der Tierschutz-Hundeverordnung zu sein. Hier ist man ganz offensichtlich noch nicht einmal dazu befähigt, dass zugrunde liegende Qualzuchtgutachten hinreichend zur Kenntnis zu nehmen. Wie ist es sonst zu erklären,

dass der hierin aufgeführte Bullterrier nicht unter das in § 12 verhängte Zuchtverbot fällt und stattdessen der Staffordshire Bullterrier dieser ungerechtfertigten Einschränkung unterworfen wird? (Keinesfalls möchte ich diese Frage als Denunziation der Rasse Bullterrier missverstanden wissen, sondern hiermit lediglich die Unfähigkeit und Unsachlichkeit der Verantwortlichen verdeutlichen.) Konsequent entziehen sich die politisch Verantwortlichen der berechtigten Kritik aus den betreffenden Fachkreisen. Die Empfehlungen der Tierärzteverbände, Wissenschaft, Tierschutzorganisationen und Hundezuchtverbände werden borniert abgewiesen und man zieht es vor, sich an den tendenziös aufbereiteten Berichten der Sensationsjournaille zu orientieren. Sachlich zutreffende Argumente und effizienten Lösungen sind scheinbar völlig uninteressant, dem entgegen gibt man sich vorzugsweise mit populistischen Scheinerfolgen zufrieden.

Allem Anschein nach basieren alle augenblicklichen bundespolitischen Aktivitäten, die sich gegen die angeblich von einigen bestimmten Hunderassen ausgehende Gefahr richten, auf der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 27.04.1999. So kommt der Verfasser, H.- U. Gerland, hierin zu dem Resultat, dass ein generelles Verbot von Zucht und Haltung bestimmter Hunderassen einer ausdrücklichen gesetzlichen Neuregelung bedarf.

Zitat: Die Gesetzgebungskompetenz für derartige Regelungen im Bereich der Gefahrenabwehr liegt nach Art. 70 Abs. 1 GG grundsätzlich bei den Ländern. Eine Kompetenz des Bundes zu einer einheitlichen Regelung ließe sich möglicherweise aus Art. 74 Nr. 1 GG herleiten, wenn ein Verbot als strafrechtlicher Tatbestand im StGB 36) oder als Ordnungswidrigkeit im OWiG 37 verankert würde. Je nach Ausgestaltung der Regelung könnten aber verfassungsrechtliche Bedenken entgegen stehen, weil der Bund nicht über dem Umweg über die Kompetenz für das Strafrecht eine Landeskompetenzen unterliegende Materie selbst sachlich regeln darf 38). Dagegen hätte der Bund nach Art. 74 Nr. 20 GG über die Kompetenz für den Tierschutz die Möglichkeit, eine Züchtung von Hunderassen zu verbieten, die eine solch hohe angeborene Aggressivität besitzen, dass die Tiere diese nicht mehr auf artgemäße und für Menschen risikolose Art ausleben können und dementsprechend als krank zu bezeichnen wären. - Zitat Ende -

Nicht nur die Warnung scheint man sich zu Herzen genommen zu haben, sondern auch die Empfehlung sollte scheinbar schnellstmöglich realisiert werden. Das oben benannte "Gutachten", sofern man bei der entsprechenden Passage und deren Umfang von 9 Sätzen überhaupt von einem Gutachten sprechen darf, wurde in Auftrag gegeben und erschien schon ca. 1 Monat nach der Veröffentlichung der Arbeit des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Auch wenn sich die o. g. politischen Vorhaben und die hieraus resultierenden einschneidenden Maßnahmen hierdurch keinesfalls rechtfertigen lassen - denn wie schon zuvor eingehend von mir dargelegt, fehlt es dem "Gutachten" selbst und auch den dort zitierten Arbeiten an dem hierfür erforderlichen Ergebnis - so scheint es doch im Kreise der verantwortlichen Politiker als ausreichendes und willkommenes Alibi zu dienen.

Gerade diese einschneidenden Maßnahmen mit ihren weitreichenden Auswirkungen sind es, die jeden demokratisch denkenden aufrichtigen Bürger doch sehr nachdenklich stimmen und erschrecken sollten. Nachweislich kriminelle, polizeibekannte Straftäter werden mit Samthandschuhen angefasst und entgehen nicht selten einer angemessenen Bestrafung. Hält jedoch ein unbescholtener Bürger keinen Deutschen Schäferhund oder einen anderen subjektiv akzeptablen Vierbeiner, sondern einen Hund der inkriminierten Rassen, ergreift man völlig unverhältnismäßige Maßnahmen. Sind diese zur Zeit nicht anwendbar so werden kurzerhand Gesetzesänderungen gefordert, die die betreffenden Menschen massiv in ihren Grundrechten einschränken (z. B. Einschränkung des Artikels 13 GG, die Unverletzlichkeit der Wohnung).

Gerne berufen sich die in dieser Thematik besonders motivierten Politiker auch auf die bisher angeblich wirksamste Hundeverordnung der Bundesrepublik, nämlich die des Bundeslandes Bayern. Den Nachweis über den vermeintlichen Erfolg bleibt man uns jedoch bis heute schuldig. Schon mehrfach erbaten verschiedene Vereine und selbst Politiker eine entsprechende Vorfallstatistik der letzten 10 Jahre aus diesem Bundesland. Die Antwort auf jede Nachfrage war die gleiche und sehr erstaunlich. Man führt im

Lande Bayern angeblich keine entsprechenden Statistiken. Jeder Versicherungsvertreter muss seinen Erfolg, sofern er diesen entsprechend honoriert haben möchte, durch entsprechende Zahlen dokumentieren und tut dieses mit Freude, Gesetz dem Fall es handelt sich bei seinen Angaben nicht nur

um werbeträchtige Scheinerfolge. Ganz offensichtlich scheuen sich aber die Verantwortlichen in Bayern davor, ihren "Erfolg" durch die Veröffentlichung des betreffende Zahlenmaterials zu belegen. Warum? Wird jedoch, wie vor einigen Monaten geschehen, nach ca. 8 Jahren eine Hunderasse von der Liste entfernt begründet man diese Korrekturmaßnahme damit, dass die Vertreter dieser Rasse über den gesamten Zeitraum lediglich einmal negativ in Erscheinung traten. Von wem und in welcher Form wurde hierfür der Nachweis erbracht, wenn denn wie oben geschildert eine entsprechende Statistik überhaupt nicht geführt wird? Das die Verantwortlichen in Bayern diesbezüglich nicht mit offenen Karten spielen und das sehr wohl entsprechende Statistiken geführt werden, beweißt auch eine von 1986 - 1991 durchgeführte Erhebung des Ordnungsamtes München aus der (Tierärztliche Wochenschrift Nr. 10/Oktober 1993) aus der u. a. hervorgeht, dass zumindest in München über den o. b. Untersuchungszeitraum überhaupt keine gravierenden Probleme mit sog. "Kampfhunden" vorlagen.

Des weiteren wird von den zuständigen Vertretern des Bundeslandes Bayern verschwiegen, dass sich auch in ihrem Bundesland ,trotz "erfolgreicher" Hundeverordnung, nach wie vor Vorfälle mit Hunde ereignen und dieses in einem nicht geringeren Ausmaß, als in den übrigen Bundesländern. Seit Bestehen dieser "erfolgreichen" Hundeverordnung kam es laut Auskunft des Bayrischen Landesamt für Statistik in Bayern zu 3 gemeldeten Todesfällen, die durch Angriffe von Hunden verursacht wurden. Ein weiterer Fall der dort aber scheinbar nicht verzeichnet wurde, ereignete sich am 21.07.96 im bayrischen Drosendorf. Dort griff ein Schäferhund ein 16 Monate junges Mädchen an und tötete es? Jedoch wurde dieser Vorfall weder von den Medien tendenziös aufbereitet noch deutschlandweit verbreitet. Auch ein politisches Handeln, in Form von ordnungsrechtlichen Maßnahmen oder Forderungen nach Gesetzesänderungen, zogen o. g. Fälle nicht nach sich.

Ebenso verhält es sich mit den Vorfällen aus jüngster Vergangenheit. Zumindest sind uns keine politischen Aktivitäten bezüglich der nachfolgend beispielhaft aufgezählten Vorfälle bekannt geworden.

  • Am 28.06.00 wurde ein zehnjähriges Mädchen in Nürnberg auf einem Spielplatz von einem angeleinten Schäferhund mehrmals in die Wange gebissen und musste zur Behandlung ins Krankenhaus.
  • Am 04.07.00 fiel ein Mischlingshund in München einen Schäfer an und fügte diesem erhebliche Verletzungen zu.
  • Am 19.07.00 fiel zweimal hintereinander ein Colliemischling in Oettingen (Kreis Augsburg) auf offener Straße Kinder an. Zuerst griff er einen elfjährigen Jungen an und biss diesem in den rechten Oberarm und den rechten Fuß. Unmittelbar darauf biss er einem achtjährigen Schüler auf seinem Fahrrad in die Hüfte. Beide Kinder mussten sich zur ärztlichen Behandlung ins Krankenhaus begeben. Drei Monate zuvor hatte der gleiche Hund schon einen zwölfjährigen Jungen angefallen und diesem in den rechten Arm gebissen.
  • Am 22.07.00 fiel in Regensburg ein Boxermischling eine 27-jährige an. Sie musste die Wunde im Krankenhaus mit 12 Stichen nähen lassen.
  • 29.07.00 in Mindelheim. Ein neunjähriges Mädchen wird von 2 Schäferhundmischlingen angegriffen und schwer verletzt.
  • 31.07.00 in Salgen (bei Augsburg). Ein neunjähriges Mädchen wird von 2 Sennenhundmischlingen auf ihrem Fahrrad angefallen und in den Ober- und Unterschenkel gebissen.
(Die diesbezüglichen Berichte entsprachen zwar nicht der üblichen tendenziösen Aufmachung von "Kampfhunde"-Vorfällen, können jedoch bei Interesse oder Zweifel jederzeit vorgelegt werden.)

Ein weiterer Aspekt, der immer wieder mit Vorliebe zur Belastung der sog. "Kampfhunde" ins Feld geführt wird, ist die "Rechtsprechung" des Bayrischen VerfGH vom 12.10.94. Diesem Urteil ist jedoch zu entnehmen, dass die "Rechtmäßigkeit" der bayrischen Regelung lediglich mit Hinblick auf die dortige

Landesverfassung überprüft wurde. Insofern darf mit Recht angezweifelt werden, ob diese Verordnung in ihrer Form überhaupt auf die übrigen Bundesländer übertragbar ist.

Weiterhin ist zu bedenken, dass sich der Verordnungsgeber bei der Auswahl der Rassenliste nicht auf eine nachgewiesene, tatsächliche Gefährlichkeit beruft, sondern lediglich eine abstrakte Gefahr vermutet und unterstellt. Unter diesem Aspekt befand das Gericht, dass es dem Verordnungsgeber bei komplexen und in vielerlei Hinsicht noch ungeklärten Sachverhalten möglich ist, Regelungen zu schaffen, die sich mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen und es ihm somit ermöglicht wird, in einer angemessenen Zeit die nötigen Erfahrungen zu sammeln. Hieraus ist abzuleiten das der Verordnungsgeber verpflichtet ist, die Auswahl der Rassen im Laufe der Zeit dahingehend zu prüfen, ob andere Rassen bedingt durch eine erhöhte Auffälligkeit hinzugefügt werden müssen bzw. Hunderassen von der Liste zu entfernen sind, sofern sich deren Auflistung aufgrund geringer Beteiligung an Vorfällen als unnötig erweist. Diese juristische Anforderung an die bayrische Hundeverordnung kann jedoch von den zuständigen Behörden nicht erfüllt werden. Denn hierzu bedarf es der konsequenten Führung einer entsprechende Statistik. Wie schon oben erwähnt, werden jedoch nach Auskunft der zuständigen Behörde die Vorfälle mit Hunden in Bayern nicht statistisch erfasst.

Der BayVerfGH empfand die Vermutung der erhöhten Gefährlichkeit als zulässiges Kriterium für den Erlass einer rassespezifischen Hundeverordnung, weil ihm zum damaligen Zeitpunkt die notwendigen sachbezogenen Erkenntnisse nicht ausreichend und schlüssig erschienen. Die heutige Situation stellt sich jedoch entschieden anders dar. Denn gegenwärtig gilt es in den entsprechenden Fachkreisen als gesicherte Erkenntnis, dass die Gefährlichkeit von Hunden nicht von der Rasse abhängig ist, sondern die Gefahr die von Hunden ausgehen kann, lediglich von der sachlichen sowie charakterlichen Eignung der Hundehalter beeinflusst wird. Insofern sind Vermutungen heute weder erforderlich noch zulässig und jede Regelung, die an die Rassezugehörigkeit und eine hiervon abgeleitete abstrakte Gefährlichkeit anknüpft, als untauglich und rechtlich unhaltbar anzusehen.

Ein Verweis auf die Entscheidung des BVerwG vom 19.01.00 ist schon aufgrund ihrer starken Anlehnung an das zuvor genannte Urteil des BayVerfGH als untauglich zu bewerten. Ferner handelt es sich beim Steuer- und Ordnungsrecht nicht um vergleichende Sachverhalte und das nicht nur, weil Billigkeitsentscheidungen laut VwVfG im Vollzug des Gefahrenabwehrrechts nicht zulässig sind. Ein weiterer Aspekt, der gegen einen Verweis auf das o. g. Urteil des BVerwG spricht, ist dessen völlig unsachliche Urteilsbegründung. Weder das Argument der größeren sozialen Akzeptanz der in Deutschland traditionell gezüchteten Hunderassen, noch der angeblich größere Erfahrungsschatz der Züchter dieser Rassen, kann als sachliches Kriterium angesehen werden wenn es darum geht, die Ungleichbehandlung zwischen gleichwertig abstrakt gefährlichen Hunden zu rechtfertigen. Denn einerseits stellt der Angriff oder der Biss eines Hundes trotz seiner sozial höheren Akzeptanz eine ebenso große Gefahr dar, wie der eines gleichwertig körperlich veranlagten Hundes einer weniger akzeptierten Hunderasse. Andererseits kann auch ein Hund einer traditionell in Deutschland gezüchteten Hunderasse in die Hände unerfahrener Menschen gelangen und von denen zur Zucht eingesetzt werden.

Resultat: Den o. g. Gerichtsentscheidungen, den z. Z. in den verschiedenen Bundesländern bestehenden rassespezifischen Hundeverordnungen sowie den geplanten Gesetzesänderungen stehen erhebliche rechtliche sowie verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Weder das Qualzuchtgutachten des Bundeslandwirtschaftministeriums und die Entscheidungen der o. g. Gerichte, noch die "Erfolge" und Erfahrungen der bayrischen Ordnungsbehörden eignen sich dazu, die Notwendigkeit rassespezifischer Gefahrenabwehrmaßnahmen und Gesetze zu begründen. Rassespezifische Hundeverordnungen sind in keinsterweise dazu geeignet um die Gefahren zu reduzieren, die durch menschliches Fehlverhalten und Versagen verursacht werden.

Das Töten und die Ausrottung unschuldiger Tiere und die ordnungsrechtliche, sowie die gesetzliche Misshandlung integrer Bürger sind weder durch die Entgleisungen krimineller und/oder gewaltbereiter Chaoten, noch durch die fehlende Handlungsbereitschaft der zuständigen Ordnungsbehörden rechtlich und moralisch zu rechtfertigen.

Wir bitten eindringlich darum, die o. g. geplanten Maßnahmen und den damit verbundenen Sachverhalt eingehend zu prüfen und die laufenden Gesetzgebungsverfahren bis zur abschließenden Beurteilung vorläufig auszusetzen.

Sollten Sie einen weiteren Vortrag für erforderlich erachten oder relevante sachbezogenen Unterlagen benötigen, so bitten wir Sie höflichst um Benachrichtigung.


Mit freundlichen Grüßen

Thomas Henkenjohann, 1 Vorsitzender


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