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Kommentar zur Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwG 11 C 8.99
- Urteil vom 19.Januar 2000 (Erhöhte Steuer für "Kampfhunde" rechtmäßig)


Als ich die o.g. Pressemitteilung las, dachte ich, es wäre ein schlechter Scherz. Meine anfängliche Wut, die außer mir wahrscheinlich viele hatten, die es aus den Medien erfuhren, klang erst am folgenden Tag ab.
Wieder beruhigt, begann ich das Schreiben genauer zu analysieren und stellte folgendes fest: Würde ich die 1 ½ Seiten kurz und knapp beschreiben, müsste ich sagen: Willkür wird begünstigt, subjektive Beurteilung u.a. durch Unterscheidung von "deutschen" und scheinbar "nichtdeutschen" Hunderassen, Inkompetenz als Folge von Unwissenheit; und sogar Widersprüche sind enthalten.

Im Folgenden zitiere ich Textpassagen aus der Pressemitteilung zum o.g. Urteil und kommentiere sie entsprechend.

Zitat1 "...,die jedenfalls die Eigenschaften als Kampfhund begründen, ohne dass es auf den Nachweis der zuvor genannten Eigenschaften im Einzelfall ankommt."
Davon abgesehen, dass die "Schwarzen Listen" der einzelnen Kommunen Unterschiede in den Angaben der Rassen enthalten, wird hier noch eins draufgesetzt. Dieser Satz sagt doch aus, dass irgend ein Hund gewisse Kommunalpolitiker nur falsch anzusehen braucht, um willkürlich in die "Schwarzen Liste" aufgenommen zu werden.

Zitat 2 "..., so etwa die allgemeine Eindämmung der Hundehaltung. Auch der mit der sogenannten Kampfhundsteuer verfolgte Lenkungszweck ist von der Steuerkompetenz der Gemeinde noch gedeckt."
Dass die Freiheit der Gemeinden mit der Erhebung von Hundesteuern, in diesem Fall Kampfhundsteuern, so festgelegt ist, dass sie nur zur allgemeinen Eindämmung der Hundehaltung dient und hier speziell der verfolgte Lenkungszweck erfüllt werden soll, erklärt nur, wie inkompetent hier über bestimmte Rassen geurteilt wird. Die Praxis wird so aussehen, dass der "Lenkungszweck" mit der erhöhten Hundesteuer eine Eindämmung von Hunden hervorruft, deren Besitzer ordnungsliebende Bürger sind; weniger ordnungsliebende, die in den meisten Fällen gar keine Steuer bezahlen, könnten weiterhin ungestört ihr Unwesen treiben.
Im Klartext: Die harmlosen dieser Rassen werden durch solche Sanktionen eingedämmt, um nicht zu sagen ausgerottet, und der Lenkungszweck bewirkt, dass Hunde mit Fehlverhalten, welches durch Menschenhand verursacht wurde, überhand nehmen werden.

Zitat 3 "Zum einen ist die Besteuerung eines Kampfhundes mit monatlich 60 DM - auch im Verhältnis zu den sonstigen Kosten einer Haltung von Kampfhunden - nicht so hoch, dass sie einem Verbot der Kampfhundehaltung im Ergebnis gleichkäme und damit eine unzulässige "erdrosselnde" Wirkung hätte."
1. Die 60 DM/Mon. ergeben 720 DM/Jahr für einen Kampfhund. Im Durchschnitt werden von anderen Gemeinden 1200 DM/Jahr, aber auch Spitzewerte von bis zu 2400 DM/Jahr Steuer verlangt. In diesem Fall stehen 720 DM/Jahr für einen Kampfhund gegen ca. 100 DM/Jahr für jeden anderen Hund

2. Hinzu kommt hier die versteckte Behauptung, dass ein Kampfhund allgemein mehr in der Anschaffung oder in der Unterhaltung kostet, als eine andere Rasse. Wenn man eine große mit einer kleinen Rasse vergleicht, mag das stimmen. Hunde gleicher Größe verursachen im Allgemeinen aber Kosten in ähnlicher Höhe, wobei die Unterschiede nur in der, teilweise imaginären, Zuchtqualität stecken, d.h. dass ein Hund mit Papieren z.B. 2000 DM und ein Hund gleicher Rasse ohne Papiere teilweise nur 200 DM in der Anschaffung kostet. Dass dies nicht einem Verbot der sog. Kampfhundrassen gleichkäme, stimmt nur für die Seite der Nichtsteuerzahler oder der Wohlbetuchten mit ihren friedlichen Hunden, Denn der ordnungsliebende Durchschnittsbürger mit der friedlichen Variante dieser Rassen, wird bei derartigen Steuersätzen garantiert eine erdrosselnde Wirkung zu spüren bekommen.

Zitat 4 "Zum anderen kann sich die Abgrenzung der zu den Kampfhunden zählenden Hunderassen in der Satzung auf sachliche und willkürfreie Gesichtspunkte stützen, ..." Abgesehen davon, können selbst sog. Hundeexperten (nicht gemeint die echten Experten) einen Am. Pit Bull Terrier nicht von einem Am. Staff. Terrier unterscheiden; fragt man einen Entscheidungsträger derartiger Steuersatzungen, können diese in den meisten Fällen nicht einmal einen Bull Terrier von einem Am. Pit Bull Terrier unterscheiden. Wo bleibt da die Sachlichkeit bzw. Willkürfreiheit, wenn ohne erforderliche Sachkenntnisse, aber evtl. mit persönlicher Antipathie derartige Abgrenzungen festgelegt werden?

Zitat 5 "Die bloße Zugehörigkeit eines Hundes zu einer dieser Rassen mag zwar für sich gesehen noch nicht zu dessen akuter Gefährlichkeit führen, weil das aggressive Verhalten eines individuellen Hundes stets von mehreren Faktoren abhängen wird, wie seiner Veranlagung, seiner Aufzucht und den Verhaltensweisen seines Halters."
Aha, da hat man etwas aufgeschnappt, aber:

Zitat 6 "Auf der anderen Seite sind bei den sog. Kampfhundrassen gezielt solche Eigenschaften gezüchtet worden, die die Kampfkraft erhöhen. Dieser Sachverhalt reicht für eine dem Gleichheitssatz entsprechende Differenzierung aus." Achso, auf der einen Seite liegt es zwar nicht am Hund, sondern hauptsächlich am Menschen, ob ein Hund gefährlich ist, aber auf der anderen Seite ist der Hund dann doch, statt seines Züchters, schuldig, weil er zur falschen Rasse gehört. Diese beiden Zitate geben sehr deutlich wieder, dass die Verantwortlichen zwar hier und da etwas zum Thema gelesen haben, aber im Grunde nichts verstanden haben.

Zitat 7 "Wegen dieser "abstrakten" Gefährlichkeit kommt es nicht darauf an, ob ein einzelnes Exemplar nach den Umständen auch als harmlos eingestuft werden kann." Dieser Satz bescheinigt die "abstrakte" Ignoranz der Ursache (Mensch) durch die Verantwortlichen; sie machen es sich wirklich sehr einfach. Es kommt also nicht darauf an, dass unzählige, verantwortungsbewusste Hundefreunde, durch das Fehlverhalten einiger verantwortungsloser Ausnahmen grundsätzlich als Besitzer gefährlicher Hunde einzustufen sind.

Zitat 8 "Hinzu kommt, dass bei anderen, von Natur aus ebenfalls abstrakt gefährlichen Rassen eine durch jahrzehntelange Erfahrung - auch der Halter und Züchter - begründete höhere Akzeptanz in der Bevölkerung angenommen werden kann. Dass auch Hunde anderer Rassen im Einzelfall gefährlich sein können, hat die Stadt rechtsfehlerfrei dadurch berücksichtigt, dass sie dann nach der Generalklausel der erhöhten Steuer unterliegen." Oh, oh. Dies zeigt endgültig, dass ein Hund der Kampfhundrassen grundsätzlich als gefährlich eingestuft wird, ein Hund der "akzeptierten" Rassen aber grundsätzlich erst einmal harmlos ist.

Die Akzeptanz der "deutschen" Nichtkampfhundrassen durch jahrzehntelange Erfahrung zu begründen ist einfacher als die Wahrheit zu sagen: Die Inakzeptanz der Bevölkerung gegenüber den sog. Kampfhunden wurde hauptsächlich durch die jahrelangen Hetzkampagnen der Sensationsmedien herbeigeführt. Die mehr oder weniger "normale" Tagespresse hat diese, meist überzogenen Meldungen anstandslos übernommen, nach dem Motto: Hauptsache die Einschaltquoten und Auflagezahlen stimmen.
Ein Beispiel aus der Vergangenheit zeigt, dass eine weitverbreitetes Boulevardblatt eine ganze Seite über das Thema Kampfhund brachte, mit Bildern einzelner "blutgierigen Bestien" und "zerfleischenden Beiträgen", in denen Sachlichkeit (z.B. richtige Rassezuordnung zu den Bildern) vergebens gesucht wird und auf der nächsten Seite ein kleiner Vierzeiler erwähnte, dass zwei "deutsche" Kleinrassehunde einen Säugling totgebissen hatten.
Hier wird deutlich, wie subjektiv die Berichterstattung ist. Die großen "nichtdeutschen" Rassen werden allgemein als Bestie dargestellt, aber dass eine kleine "deutsche" Rasse einen Säugling tötet, ist kaum der Rede wert.
Eine andere Zeitung schildert "Actionfilmreif" den Angriff eines Pit Bulls mit einem durchbissenen Lungenflügel eines Dackels als Folge. Durch Nachfragen bei der ermittelnden Behörde stellte sich allerdings heraus, dass der Kampfhund ein Collie-Mischling war. Hier werden Tatsachen eiskalt, auf Kosten Unschuldiger verdreht, nur damit die Auflagezahlen stimmen.

Dies zeigt auch, warum mittlerweile in den Medien grundsätzlich nur von Angriffen der Kampfhunde, aber in keiner Weise über andere aggressive, bzw. "akzeptierte" Rassen berichtet wird.
Gegen die Aussage, dass Kampfhunde trotz Ausnahmen grundsätzlich gefährlich sind, stehen z.B. Auswertungen und Statistiken (1991-1996) des Deutschen Städtetages von 1997 oder auch eine Veröffentlichung in der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift v. 10.10.93. Aus diesen ist eindeutig zu entnehmen, dass die meisten Vorfälle, egal welcher Einstufung, gerade von den Nichtkampfhunden verursacht werden.



Fazit:

Auch dieses Gerichtsurteil zeigt wieder deutlich, dass es in erster Linie nicht auf die korrekte Wahrheit ankommt, sondern nur auf das politisch gewünschte, scheinbar Einwandfreie. Dass aus unvollständigen oder teilweise falschen Erkenntnissen subjektive Beurteilungen hervorgehen, ist nicht von der Hand zu weisen; oder ist etwa niemandem aufgefallen, dass sich ausgerechnet kurz vor diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Meldungen über Kampfhundangriffe häuften?
Durch die einseitige und auch verfälschte Berichterstattung in den Medien wird versucht, entgegen den Tatsachen, dem Bürger und seinen Vertretern ein falsches Bild dieser nicht akzeptierten Rassen zu vermitteln. Jeder, der die Zahlen kennt oder auch nur über den Tellerrand schaut, wird erkennen, dass die Realität anders aussieht, dass einzelne verantwortungslose Mitbürger aus niederen Beweggründen gute Hunderassen missbrauchen. Die Medien geben den Rest dazu, denn es gibt scheinbar nichts schöneres als blutige Nachrichten.

Warum Entscheidungsträger in der Politik oder auch an den Gerichten zum Thema Kampfhund, diese, für einen aufgeklärten Bürger z.T. unverständlichen Verordnungen oder Urteile fällen, liegt möglicherweise daran, dass sie den Bezug zur Realität verloren haben oder sich an das eigentliche Problem (Mensch) nicht herantrauen. Einerseits wird in der o.g. Pressemitteilung beschrieben, dass die Aggressivität dieser Rassen durch bestimmte Menschen entsteht (Zitate 5+6), andererseits wird dies scheinbar nicht erkannt.
Etliche Experten und Organisationen aus dem Bereich des Tierschutzes oder Hundewesens versorgen die Entscheidungsträger nicht nur mit Gutachten, Untersuchungsergebnissen, etc., sondern auch mit konkreten Lösungsvorschlägen, die die Ursache (Menschen mit sozialem Fehlverhalten, die dies mit bestimmten Hunderassen ausgleichen wollen) endgültig bereinigen würden.
Die traurige Wahrheit ist, dass diese in den meisten Fällen ignoriert werden, da scheinbar gar kein Interesse besteht das Problem (Mensch) bei der Wurzel zu packen. Es scheint schließlich einfacher das schwächste und allerdings auch letzte Glied der Kette zu bekämpfen, was in meinen Augen nur Alibifunktion hat, nach dem Motto: Wir unternehmen doch etwas.

Ich hoffe für die Zukunft, dass die Verantwortlichen endlich aufwachen und das eigentliche, hundertfach bewiesene Problem erkennen und dem wirklichen Gegner die Stirn bieten.

Wenn ich darüber nachdenke, dass das Kampfhundthema nur eins von vielen ist und in anderen Lebensbereichen genauso subjektiv entschieden wird, kann ich nur sagen:

Armes Deutschland - nichts dazugelernt !

Axel Mehrtens


In eigener Sache:

Wer kann mir erklären, warum mein "Kampfhund", lt. o.g. Pressemitteilung gefährlich sein soll, obwohl er immer noch "sauber" ist, nachdem er, mittlerweile zum fünften! Male, von einer friedlichen "deutschen" Rasse, in allen Fällen ohne Vorwarnung, angegriffen und erheblich verletzt wurde? Und ich weiß, er ist kein vereinzeltes Exemplar. Ich warte auf den Tag, an dem sich mein Hund mit der gleichen Härte des Angreifers wehrt, und ihm dann auf Grund seiner Rasse der "Schauprozess" gemacht wird.
Auch werde ich mir weiterhin geduldig die Beschimpfungen und Beleidigungen, wie z.B. "Zuhälterschwein" oder "die gehören beide durch den Wolf gedreht" von geblendeten Mitbürgern anhören, wenn ich als ordnungsliebendes Mitglied unserer Gesellschaft mit meinem Hund einen erholsamen Spaziergang mache . . .

DANKE Berlin !


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