Hund und Halter e.V.

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Die Vereinsmitglieder Klaus Garlich & Sybille Kohagen schrieben an den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen Herrn Sigmar Gabriel




zur Antwort


An den
Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen
Herrn Sigmar Gabriel
Planckstraße 2

30169 Hannover


Varel, den 24.09.2000


Niedersächsische Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere (Gefahrtier-Verordnung - GefTVO)

Sehr geehrter Herr Gabriel,

aufgrund der von Ihrem Landwirtschaftsministerium in hektischer Betriebsamkeit und ohne jegliche Sachkenntnis verabschiedeten o.a. Verordnung wenden wir uns an Sie in Ihrer Position als Landesvater, um auf das Schärfste gegen diese Verordnung zu protestieren!

Um etwaige Missverständnisse auszuräumen: auch wir sind gegen die unsachgemäße Haltung und Aggressionsdressur von Hunden gegen Menschen und Tiere. Wir distanzieren uns von unverantwortlichen, unfähigen Hundehaltern, die ihre Hunde in imageaufpolierender Weise missbrauchen.

Als mündige, steuerzahlende, gesetzestreue und nicht zuletzt immerhin auch wahlberechtigte deutsche Staatsbürger lassen wir uns nicht länger als latent kriminell abstempeln. Wir sind es leid, unserer Lebensqualität beraubt und diskriminiert zu werden. Wir lassen uns nicht länger zum Freiwild für Pöbeleien erklären und offenen Hasstiraden der Gesellschaft aussetzen, nur weil wir einen Hund gem. §1 Abs.1 der GefTVO zu unserer Familie zählen. Seit 12 Jahren sind wir seriöse Halter und Liebhaber der Rasse American Staffordshire Terrier und niemals mit unseren Hunden auffällig geworden, Sie dürfen uns daher getrost als zuverlässig und sachkundig betrachten.

Die pauschale Verurteilung bestimmter Hunderassen und das Belegen der Halter mit drastischen Auflagen kann das Problem der Beißvorfälle mit gefährlichen Hunden nicht lösen, da es sich hierbei um kein rassespezifisches Problem handelt. Der Beweis wurde übrigens bereits vor Inkrafttreten der GefTVO durch unzählige wissenschaftliche Gutachten, die unverständlicherweise bei der Verabschiedung der Verordnung ignoriert wurden, angetreten. Sowohl die Statistik des Deutschen Städtetages und die Gutachten des VDH wie auch die Gutachten der Tierärztekammer widerlegen die Notwendigkeit und den Sinn von Rasselisten. Diese Tatsache wird auch bestätigt durch elf richterliche Entscheidungen von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten.

Es handelt sich hierbei wohl eher um ein gesellschaftliches als ein "Hunde"- Problem, dessen Vielschichtigkeit seit Inkrafttreten der Verordnung ganz massiv zum Ausdruck kommt. Auch an Ihnen können die Erkenntnisse kompetenter Fachleute und Stellungnahmen zahlreicher Politiker mit dem Schluss, daß das Problem am oberen Ende der Leine zu suchen sei, nicht ganz vorübergegangen sein. Restriktive Maßnahmen sind daher nicht am Hund, sondern am Halter anzusetzen.

Die Ansicht, dass die o.a. Verordnung in vielen Punkten rechtlich überhaupt unhaltbar ist, wird auch von vielen Juristen vertreten. Der generelle Maulkorb- und Leinenzwang verstößt beispielsweise gegen ein Bundesgesetz, nämlich das deutsche Tierschutzgesetz. Durch das Haltungsverbot bestimmter Hunderassen werden die Liebhaber dieser Tiere in ihren Grundrechten eingeschränkt, denn hierin ist ein massiver Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG deutlich erkennbar (auch andere Grundrechte werden in verschiedenen Teilen durch die Verordnung mit Füßen getreten).
Auch ist die besondere Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen statistisch nicht zu belegen. Daher ist die Rasseliste juristisch anfechtbar (z.B. wurden mehrere Polizeiverordnungen, die 11 Hunderassen als "Kampfhunderassen" gefahrenabwehrrechtlich verschärft behandeln wollten, bereits 1992 / 93 / 99 durch div. Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte als unwirksam verworfen ).
Ferner ist es fraglich, ob es in den Kompetenzbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten fällt, eine derartige Verordnung zu erlassen.

Aus den genannten Gründen fordern wir Sie in Ihrer Eigenschaft als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen daher nachdrücklich auf, die ganze Autorität Ihres Amtes geltend zu machen:

  • Sofortige Aufhebung der GefTVO

  • Rehabilitierung der unschuldig verfolgten, unbescholtenen und verantwortungsvollen Hundehalter, durch entsprechende Meldungen in der Presse (so zum Beispiel auf den Titelseiten, die bisher für die reißerische Berichterstattung über sogenannte "Kampfhunde" reserviert waren)

  • Schon vor Erlass der GefTVO standen durch das niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz ausreichende Mittel zur Verfügung; deren konsequente Anwendung effektive Möglichkeiten bot, um Menschen vor gefährlichen Hunden zu schützen. Des weiteren wurde durch das Tierschutzgesetz und dessen Neunovellierung im Jahr 1998 den Behörden die Umsetzung weitergehender Maßnahmen ermöglicht. Alle Abstufungen der Reglementierung von verantwortungslosen Hundehaltern, vom Maulkorbzwang bis zum Hundehaltungsverbot auf Lebenszeit waren somit schon gewährleistet.

  • Wir fordern endlich eine Behandlung dieser Thematik mit fachkompetenter Sachlichkeit und eine Differenzierung zwischen normalen und gefährlichen Hunden, unabhängig jedweder Rassezugehörigkeit.



Im Vertrauen auf ein für die Zukunft rücksichts- und verständnisvolleres Miteinander und die Größe, Fehler einzugestehen und die Fähigkeit, aus ihnen zu lernen , verbleiben wir

mit freundlichem Gruß

Sybille Kohagen                  Klaus Garlich


Als Kopien an: Herrn Landwirtschaftsminister Uwe Bartels
                          Herrn Innenminister Heiner Bartling



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