Verein gegen die Diskriminierung von Hund und Halter e.V. |
Download als Worddokument
Aktenzeichen der
Hauptsache: 5 VG 3300/2000
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung der/des 1.
+++++++++++++++++++++++++++ 2.
+++++++++++++++++++++++++++,
Antragsteller/in Prozeßbevollmächtigte: RAe. Günther, Heidel, Dr.
Wollenteit, Hack, Mittelweg 150, 20148 Hamburg g e g e n die Freie und Hansestadt Hamburg, vertr. d. d. Behörde f.
Arbeit, Gesundheit und Soziales Hamburger Str. 47 22083 Hamburg
Antragsgegnerin wegen: Hundeverordnung; einstweilige Anordnung Namens und in Vollmacht der Antragsteller beantragen wir
im Wegen einer einstweiligen Anordnung festzustellen, daß die Antragsteller
vorläufig, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung der zu dem Aktenzeichen
5 VG 3300/00 anhängigen Feststellungsklagen
1.
einstweilen ihr Hunde auch ohne Erlaubnis im
Sinne von § 2 Abs. 1 HundeVO halten können. 2.
einstweilen ihre Hunde auch außerhalb ihres
eingefriedeten Besitztums unangeleint und ohne Maulkorb ausführen dürfen. 3.
einstweilen nicht verpflichtet sind, ein
Warnschild im Sinne von § 4 Abs. 4 der HundeVO anzubringen. Begründung: I. Ziel des vorliegenden Antrag ist es, den Zustand
hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Fragen bis zu einer
Entscheidung über die vorliegende Feststellungsklage vorläufig zu regeln. Die
Notwendigkeit einer solchen Regelung ergibt sich aus der Tatsache, daß nach §
11 Abs. 2 der HundeVO die Antragsteller bis spätestens Ende November die Haltungsgenehmigung
beantragen müssen und im Falle des Fehlens von Genehmigungsvoraussetzungen mit
der Untersagung und Einziehung des Hundes auf Grundlage von § 7 der HundeVO zu
rechnen haben. Als besonders schwerwiegend ist in diesem Zusammenhang
der Umstand zu bewerten, daß § 11 Abs. 2 der HundeVO bis zu diesem Zeitpunkt
auch den Nachweis der Voraussetzung für die Erteilung dieser Erlaubnis
verlangt. U. a. verlangt die Hundeverordnung bezüglich der Kategorie I Hunde
eine Sterilisation. Dieser Zwang zur Sterilisation
schafft vollendete Tatsachen, die auch im Falle eines Obsiegens in dem
Hauptsacheverfahren nicht mehr korrigierbar ist. Die Antragstellerin zu 1.
lehnt eine Sterilisation aus grundsätzlichen Erwägungen ab. 80 % der
sterilisierten weiblichen Hunde weisen mit fortschreitenden Alter aufgrund der
Sterilisation erhebliche Gesundheitsbeschwerden auf, die sich insbesondere in
einer “Inkontinenz” äußern. Hinzukommt, daß Ablehnungsfälle bekannt geworden sind,
in denen nach Erlaubnisverweigerung Untersagungsverfügungen mit Fristsetzungen
von nur sieben Tagen ergangen sind. Den Betroffenen wurde Gelegenheit gegeben,
binnen dieser Frist nachzuweisen, daß sie die betroffenen Hunde nicht mehr
halten. Die Antragsteller können deshalb zumutbarerweise nicht auf
nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden. Wie im Einzelnen noch darzulegen sein wird hat sich
schließlich inzwischen herausgestellt, daß der Maulkorb- und Leinenzwang mit
schwerwiegenden Nachteilen für die Tiere verbunden ist. Nahezu einhellig wird
ein allgemeiner Leinen- und Maulkorbzwang als unvereinbar mit dem
Tierschutzrecht angesehen. Auch dies wird im Einzelnen näher dargelegt werden.
Die Hunde der Antragsteller, die in der Hauptsacheklage unter I. 1. sowie I. 5.
näher beschrieben sind, haben inzwischen den Wesenstest bestanden. Die
Gutachten sind noch nicht ausgefertigt, werden jedoch unverzüglich
nachgereicht, sobald sie vorliegen. II.
Zur Zulässigkeit
des Antrags Nach inzwischen herrschender Auffassung sind auch
vorläufige Feststellungen durch eine einstweilige Anordnung zulässig, z. B.
dahingehend, daß ein bestimmtes Verhalten vorläufig zulässig ist (vgl.
Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage, 2000, § 123, Rn. 9). Das Bundesverfassungsgericht hat grundsätzlich einen
einstweilen Rechtsschutz auch im Rahmen von Feststellungsklagen zugelassen: “ Jedoch kann der Betreffende Klage auf die gerichtliche Feststellung
erheben, daß ihm für den Fall der Vorname der bislang ausstehenden Handlung ein
bestimmter sachlich-rechtlicher Anspruch gegen den Beklagten (...) zustehe. Zusätzlich
kann er im Wege des vorläufigen Rechtsschutz einen Antrag ein einstweilige
Feststellung des zur Hauptsache sachlich begehrten stellen.” (BVerfGE 71, 305,
347) Auch der VGH in Kassel hat im Kontext einer
planungsrechtlichen Streitigkeit grundsätzlich erkannt, daß der Erlaß einer
einstweiligen Anordnung in Gestalt einer vorläufigen Feststellung zulässig ist
(NuR 1990, 278). Schließlich ist auch auf den Beschluß des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts
vom 19.09.1986 (NJW 1987, 1215) hinzuweisen, wo es das Oberverwaltungsgericht
prinzipiell als möglich angesehen hat, im Verfahren nach § 123 VwGO lediglich
festzustellen, daß ein Richter den Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes
einstweilen nicht nachzukommen braucht (1216). Eine Eilentscheidung in diesem
Sinnen streben die Antragsteller an. Sollte das Verwaltungsgericht zu der Auffassung
gelangen, daß für das vorliegenden Eilverfahren der Antrag gegen die Freie und
Hansestadt Hamburg, vertr. d. d. zuständigen Bezirksämter zu richten ist, wird
um einen entsprechenden richterlichen Hinweis gebeten. Die Anträge könnten dann
kurzfristig umgestellt werden. III. Die Hamburgische Hundeverordnung ist verfassungswidrig. 1. Das Verdikt der Verfassungswidrigkeit trifft vor allem
die der Hamburger Hundeverordnung zugrundeliegende Rasseliste. Die Beurteilung
der Gefährlichkeit von Hunden anhand von Rassemerkmalen wird nahezu einhellig
von Verhaltensforschern und Tierärzten abgelehnt. Die sogenannten “Rasselisten”
halten einer fachwissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Die überwiegende Mehrzahl der Fachleute lehnen
Rasselisten ab (vgl. z. Bsp. Eichelberg; Feddersen-Petersen; Unshelm; Redlich;
Schöning). Auch der empirische Befund gibt für eine besondere Gefährlichkeit
der angesprochenen Hunderassen nichts her (vgl. Deutscher Städtetag; Hartwig;
Hamann). Auch der Hamburger Senat hat noch im März 2000 anläßlich der letzten
Novellierung der Hundeverordnung darauf hingewiesen, daß an den in den Jahren
1997 bis 1999 festgestellten Vorfällen in erster Linie “Mischlingshunde
und Schäferhunde” beteiligt waren und die “Beteiligung von sogenannten Kampfhunderassen (...) nicht im Vordergrund” steht (Freie und Hansestadt Hamburg, Staatliche
Pressestelle, Presseerklärung vom 14.03.2000, Seite 5 f.). Der 22. Deutsche
Tierärztetag, der Bundesverband praktischer Tierärzte sowie ausländische
Fachgutachter (Trevor Turner) haben sich ebenfalls dezidiert gegen die Beurteilung
der Gefährlichkeit von Hunden anhand von Rasselisten ausgesprochen. Zur Verdeutlichung des Diskussionsstandes beziehe ich
mich auf das Rechtsgutachten des Unterzeichnenden, welches Mitte Oktober vorgelegt
wurde, Anlage
Ast 1. Die fachwissenschaftliche Diskussion wird auf den Seiten
6 – 10 unter Angabe sämtlicher vorerwähnter Autoren dargestellt. In einem kürzlich vorgelegten Beitrag von Caspar wird
dem hier referierten empirischen Befund widersprochen. Er beanstandet, die Statistik
sei nicht aussagekräftig, der Gefahrengrad einer Hunderasse sei nicht zu
belegen, solange die Statistik nicht die Zahl der Zwischenfälle in Beziehung
setzt zu der Gesamtzahl der gehaltenen Hunde der jeweiligen Rasse. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Die Befunde der Städtetagstudie werden allgemein als
“repräsentativ” bewertet (Hamann, Der Stadthund des Deutschen Städtetages, Heft
7, Unser Rassehund 1997). Es trifft allerdings zu, daß auch dem
Unterzeichnenden keine Statistik bekannt ist, die die Zahl der Zwischenfälle in
Beziehung setzt zu der Gesamtzahl der gehaltenen Hunde der jeweiligen Rasse. Der statistische Befund läßt jedoch aus der Sicht des
Unterzeichnenden die Erkenntnis zu, die auch der Hamburger Senat noch bis vor
kurzem gezogen hat, nämlich daß in relevanter Weise statistisch
auffällig in erster Linie deutsche Gebrauchshunde sowie Mischlingshunde
geworden sind. Caspar begründet weiter, tatsächlich sei davon auszugehen, daß
der prozentuale Anteil der Kampfhunderassen bei Verletzung von Menschen oder
anderen Tieren wesentlich höher liege, als deren Anteil an der gesamten
Hundepopulation. Er argumentiert ferner, auch die Schwere der Hundeattacken bei
der Einstufung der Gefährlichkeit müßte berücksichtigt werden und unterstellt
offenbar implizit, daß bei den inkriminierten Rassen von einer größeren Schwere
auszugehen sei. Leider bleibt Caspar den Nachweis für seine Behauptung komplett
schuldig. Er führt nicht eine einzige Fundstelle an, die seine Thesen stützen
könnte. Besonders bedauerlich ist auch, daß sich Caspar ergänzend auf eine fehlverstandene Interpretation der
Sichtweise der anerkannten Kynologin Feddersen-Petersen bezieht (Fußnote 40)
und deren Aussage nur selektiv
rezipiert. Gerade Frau Feddersen-Petersen hat sich in zahlreichen
Veröffentlichungen ganz entschieden gegen die Schlußfolgerung von Caspar
gewandt. Leider basiert auch die Rechtsprechung auf einer sehr selektiven
Rezeption der Fachdiskussion. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
19.01.2000 (DVBl 2000, 920/921) ist von einer geradezu erschreckenden
Fehlinterpretation der Stellungnahme von Frau Dr. Helga Eichelberg geprägt.
Zutreffend hat Hamann (“Kampfhunde” Steuer in Niedersachsen NVwZ 1997, 753)
darauf hingewiesen, daß fachwissenschaftliche Erkenntnisse in der bisherigen
juristischen Kontroverse grob vernachlässigt worden sind. Frau Dr. Eichelberg
hat sich wegen der völlig verfehlten Rezeption ihrer Auffassung durch das
Bundesverwaltungsgericht an den Präsidenten des Bundesverwaltungsgericht
gewandt und ausdrücklich klargestellt, daß sie sinnentstellend rezipiert worden
ist. Anlage
Ast 2. Dies ergibt sich auch aus einer neueren Veröffentlichung
von Frau Eichelberg, die ich als Anlage Ast 3
zur Akte reiche. Es gibt keinen nachvollziehbaren und plausiblen Grund,
die in den Rasselisten aufgeführten Hunde schlechter zu stellten, als andere
Hunderassen, insbesondere die typischen deutschen Gebrauchshunde. Dies hat der
VGH Mannheim vollkommen zutreffend erkannt und richtigerweise seiner ständigen
Rechtsprechung zugrunde gelegt (vgl. zuletzt VGH Mannheim, NVwZ 1999, 1016 ff).
Es lohnt sich noch einmal die diesbezügliche Argumentation des VGH Mannheim
nachzuvollziehen: “Auch der Ansicht des Bayrischen Verfassungsgerichtshof, der eine dem §
1 Abs. 2 S. 2 PolVO vergleichbare typisierende und generalisierende Regelung
aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für rechtlich unbedenklich ansieht,
kann der Senat nicht folgen. Zwar umfaßt – in diesem Ansatz stimmt der Senat
mit dem Bayrischen Verfassungsgerichtshof überein – der Gestaltungsspielraum
das Verordnungsgebers bei komplexen, in vieler Hinsicht noch ungeklärten
Sachverhalten, auch die Befugnis, Regelungen zu treffen, die sich zunächst mit
gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen und es damit ermöglichen,
in angemessener Zeit Erfahrungen bei ihrer Anwendung zu sammeln. Dies stellt
den Verordnungsgeber aber nicht von der Verpflichtung frei, sein Handeln an
einem schlüssigen Konzept auszurichten, daß den erkennbaren sachlichen
Gegebenheiten des jeweiligen Regelungsbereichs Rechnung trägt.” Diesen überzeugenden Ausführungen ist nichts
hinzuzufügen. Bis heute hat es der Hamburgische Verordnungsgeber unterlassen,
die fachwissenschaftliche Diskussion auch nur ansatzweise zur Kenntnis zu
nehmen. Die Diskussion ist im Wesentlichen von Emotionen und Ressentiments
bestimmt. Ein kohärentes nachvollziehbares Regelungskonzept fehlt. Der VGH Mannheim führt weiter aus: “Gründe der
Verwaltungsvereinfachung, wie sie auch die Antragsgegnerin geltend macht, dürfen
nicht dazu führen, daß der Verordnungsgeber aus einer Gruppe im Wesentlichen
gleich abstrakt – gefährlicher Hunderassen, gerade diejenigen herausgreift,
deren Verbreitungsgrad vergleichsweise gering ist, um auf diese Weise den mit
dem Vollzug der Verordnung verbundene Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten. Der Senat kann sich der Ansicht des Bayrischen Verfassungsgerichtshof
auch nicht anschließen, sobald dieser
als sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung den Umstand wertet,
daß die als ebenso gefährlich
anzusehenden, jedoch in den Katalog nicht aufgenommenen Hunderassen, wie die
Deutsche Dogge, der Dobermann, der Rottweiler, der Boxer oder der Deutsche
Schäferhund in Deutschland traditionell gezüchtet und gehalten werden, und von
daher in der Öffentlichkeit eine höhere Akzeptanz genießen und mehr oder minder
zu Gebrauchshunden für vielerlei Zwecke verwendet werden. Dieser Umstand mag
zwar Befreiungs- und Ausnahmeregelungen rechtfertigen, wie sie für
Gebrauchshunde auch in der Verordnung der Antragsgegnerin vorgesehen sind,
nicht aber eine normative Regelungen, mit der bestimmte Rassen abstrakt und
kategorisch als gefährlich eingestuft werden.” Diese völlig
zutreffende Auffassung des VGH Mannheim wird auch durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts sowie ähnlich begründete hundesteuerrechtliche
Entscheidungen anderer Obergerichte vermögen inhaltlich nicht überzeugen (vgl.
etwa Wohlfarht, Kampfhunde im Visier des Steuerrechts, Städtetag 2000, 27 ff).
Bereits vorstehend wurde ausgeführt, daß die Entscheidung den
fachwissenschaftlichen Erkenntnisstand unzutreffend wiedergibt, insbesondere
die Auffassung der Experten hierzu falsch interpretiert. Hinzu kommt aber auch,
daß die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Hundesteuerrechts
ergangen ist und deshalb für das Recht der Gefahrenabwehr nur eingeschränkt
präjudizielle Bedeutung zukommen kann. Auf diesen Sachverhalt weist der im
übrigen wenig überzeugende Aufsatz von Caspar zutreffend hin, wenn in Fußnote
44 (a.a.O., 1586) ausgeführt wird, daß im Steuerrecht die Gestaltungsfreiheit
weiter reiche als bei der ordnungsrechtlichen Gefahrprognose. Zusammenfassend
ist, wobei noch einmal ausdrücklich auf die Ausführungen in dem Rechtsgutachten
des Unterzeichnenden Bezug genommen wird (Anlage Ast 1), festzuhalten, daß die
Rasselisten unhaltbar sind. Der Verordnungsgeber ist ebenso wie der Gesetzgeber
verpflichtet, bei grundrechtsrelevanten Eingriffen erheblicher Intensität
zumindest die Tatsachen sorgfältig zu ermitteln und den fachwissenschaftlichen
Erkenntnisstand zur Kenntnis zu nehmen. Vorkehrungen, die staatlicherseits
getroffen werden, müssen auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und
vertretbaren Einschätzungen beruhen, wenn intensiv in grundrechtsrelevante
Bereiche eingegriffen wird (BVerfGE 88, 254). 2. Die Hamburger Hundeverordnung ist wegen der
unterschiedlichen Behandlung von Hundehaltern, deren Tiere in der “Rasseliste”
aufgeführt sind und solchen, die andere Hunde halten, am Gleichheitsgrundsatz
(Art. 3 Abs. 1 GG) zu überprüfen. Hierbei ist ein strenger Maßstab zugrundezulegen,
da die angegriffenen Regelungen der Hundeverordnung schwerwiegende Eingriffe in
die Rechtsstellung der Hundehalter ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht
hat klar ausgesprochen, daß auch bei einer mittelbaren Ungleichbehandlung von
Personen die Anwendung eines strengen Prüfungsmaßstabes geboten ist (BVerfGE
92, 53, 69). Das Verfassungsgericht hat auch herausgestrichen, daß die enge
Bindung an den Gleichheitssatz nicht nur auf Personen bezogene Differenzierung
beschränkt ist, sondern auch dann gilt, wenn eine Ungleichbehandlung von
Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt
(BVerfGE 99, 367, 388). Es ist deshalb verfehlt, wenn die Prüfung am Maßstab
des Art. 3 GG auf eine bloße Willkürprüfung reduziert wird. 3. Die Hundeverordnung ist aber auch weiterhin deshalb
verfassungswidrig, weil sie eine unzulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung
des Eigentums beinhaltet. Zur Begründung dieser Auffassung beziehe ich mich auf
die Ausführungen in dem bereits vorliegenden Rechtsgutachten (Anlage Ast. 1, S.
21 ff). Hier ist besonders zu beanstanden, daß die Regelung der Hamburger
Hundeverordnung bezüglich der Kategorie I Hunde eine “unwiderlegliche
Vermutung” normiert. Diese Normierung einer “unwiderleglichen Vermutung”
verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es sind keine plausiblen
Gründe ersichtlich, weshalb die Möglichkeit eines Negativzeugnisses als
milderes Mittel zur Gefahrenabwehr nicht auch bezüglich der Kategorie I Hunde
zugelassen wurde. In einer bemerkenswerten Entscheidung hat der Hessische VGH
deshalb zurecht die Erforderlichkeit
einer vergleichbaren hessischen Regelung mit der Begründung in Zweifel
gezogen, es spräche alles dafür, daß auch durch eine positiv verlaufene
Wesensprüfung widerlegbare Vermutung der Gefährlichkeit genügen würde, eine zur
Gefahrenabwehr ausreichende Überwachung zu gewährleisten (vgl. HessVGH Beschluß
vom 15.09.2000, 11 NG 2500/00). Auch Felix/Hofmann, Zur Verfassungsmäßigkeit
der Hamburgischen Hundeverordnung, NordÖR 2000, 341, 343, kommen im Prinzip zu
dem gleichen Ergebnis, wenn sie unter dem Gesichtspunkt von Art. 14 GG eine
verfassungskonforme Interpretation der Hundeverordnung im Hinblick auf die
Kategorie I Hunde fordern. 4. Erbliche Bedenken
unterliegt ferner der für Kategorie I Hunde auf “Lebenszeit” verordnetet
Leinen- und Maulkorbzwang mit dem Tierschutzrecht. Die Antragsteller sind
bereits seit mehreren Monaten gehalten, ihre Hunde nur noch unter Beachtung des
Maulkorb- und Leinenzwanges auszuführen. Ein allgemeiner Leinen- und
Maulkorbzwang unterliegt schwerwiegenden tierschutzrechtlichen Bedenken. Er verstößt
gegen § 2 Nr. Tierschutzgesetz sowie gegen
§ 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz wonach die Möglichkeit der artgemäßen
Bewegung nicht derart eingeschränkt werden darf, daß dem Tier Schmerzen oder
vermeidbare Leiden und Schäden zugefügt werden. Durch den Leinen- und Maulkorbzwang
wird den Hunden die Möglichkeit genommen, Sozialkontakt zu anderen Hunden
aufzubauen und sich in anderer Weise artgemäß mit Hunden auseinanderzusetzen.
Durch den Maulkorb wird darüber hinaus, daß für den Temperaturausgleich
erforderliche und daher lebensnotwendige hecheln der Tiere erhebliche behindert.
Es ist schließlich allgemein anerkannt, daß die Entwicklung eines normalen
Sozialverhaltens für Tiere außerordentlich wichtig ist (Feddersen-Petersen,
Hunde und ihre Menschen, 1992, S. 180). Die anerkannte Veterinärmedizinierin Prof. Dr. Irene Stur hat zu der Sinnhaftigkeit
eines allgemeinem Leinen- und Maulkorbzwang unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr
Stellung genommen und hierbei überzeugend dargelegt, daß ein ständiger Leinenzwang
nicht als artgerechte Haltung angesehen werden kann. Ein Maulkorbzwang
behindert die Thermoregulation und ist verhaltensphysiologisch fatal. Frau Stur
kommt zu dem Ergebnis, daß ein Maulkorbzwang nur bei gesunden Hunden und
zeitlich bzw. örtliche befristet vertretbar ist. Anlage
Ast. 4. Forscher der Tierärztlichen Hochschule Hannover haben
ebenfalls dezidiert dargelegt, daß ein genereller Maulkorb- und Leinenzwang
unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten unhaltbar ist Anlage
Ast. 5. Ich verweise im übrigen noch einmal auf die Ausführungen
in dem Rechtsgutachten (Anlage Ast. 1, S. 32 ff). Der Hamburger Senat hat im Zusammenhang mit der im März
2000 erfolgten Novellierung der Hundeverordnung prinzipiell die hier vertretene
Auffassung geteilt und dies wie folgt begründet: “Gegen einen undifferenzierten generellen Leinenzwang sprechen auch Tierschutzgründe,
wie sie von Sachverständigen und Teilnehmern der Hamburger Arbeitsgruppe
vorgebracht wurden. Ein ständig angeleinter Hund könne weder in seiner Laufgeschwindigkeit
noch in der Auswahl der für ihn relevanten Reize seinen Motivationen folgen.
Kontakte zu Artgenossen würden erschwert oder unmöglich gemacht. Dadurch können
sich Verhaltensfehlentwicklungen ergeben (...).” Angeleinte Hunde verhielten sich öfter untypisch aggressiv oder
ängstlich gegenüber Artgenossen und es komme zu (vermeidbaren) Beißereien.
“(Freie und Hansestadt Hamburg, Staatliche Pressestelle, Presseerklärung vom
14.03.2000, S. 8). Die Antragsgegnerin hat letztendlich selbst erkannt, daß
ein genereller Leinen- und Maulkorbzwang nicht Gefahren minimierend wirkt, sondern
eher gefahrsteigernd. Hinzuweisen ist schließlich in diesem Zusammenhang auf
die Entscheidung des OVG Bremen vom 29.09.2000, 1 B 291/00, in der im Einklang
mit der hier vertretenen Auffassung ein genereller Leinen- und Maulkorbzwang
für Hunde, die ungefährlich sind, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgelehnt
wird. Mit der Begründung, es sei weder einzusehen noch nachvollziehbar, daß bei
Tieren, die ungefährlich sind, auf Lebenszeit ein Leinen- und Maulkorbzwang
vorgeschrieben wird, hat das OVG im Rahmen eines Verfahrens nach § 47 Abs. 6
VwGO die Bremische Hundeverordnung teilweise außer Vollzug gesetzt. 5. Auch das Warnschildgebot kann keinen Bestand haben. Das
Warnschildgebot stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung dar. Das Warnschildgebot zwingt Hundehalter dazu, sich in der
Öffentlichkeit als Halter eines “gefährlichen Hundes” zu “outen”. Die Wirkung
einer solchen Bekanntgabe in der Öffentlichkeit ist auf dem Hintergrund der
gegenwärtigen öffentlichen Stimmung für die Antragsteller verheerend. Durch die
erzwungene Bekanntgabe dieser sehr sensiblen Information wird zweifellos in das
Persönlichkeitsrecht der Antragsteller empfindlich eingegriffen. Da die Tiere, die von den Antragstellern gehalten
werden, jedoch nachweislich ungefährlich sind, kann von den Antragstellern auch
nicht verlangt werden, daß sie auf eine real nicht existente Gefahr hinweisen
und sich hierdurch selbst sigmatisieren. Es ist auch sehr fraglich, ob eine
Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ohne formelle gesetzliche
Grundlage überhaupt zulässig ist (vgl. Münch/Kunig, a.a.O., Art. 2, Rn. 42). IV. Besteht mithin ein Anordnungsanspruch. Auch ein
Anordnungsgrund liegt vor. Spätestens mit Ablauf der Anmeldefrist geraten die
Antragsteller in eine unhaltbare Lage. Obwohl sie mit einer Vielzahl von
Autoren der Auffassung sind, daß die Regeln der Hamburgischen Hundeverordnung
schwerwiegenden verfassungsrechtliche Bedenken unterliegen (vgl. etwa auch
Felix/Hofmann, a.a.O.) und deshalb eine Erlaubnispflicht nicht besteht, sind
sie dem Risiko ausgesetzt, ihren Tieren im Falle eines unterlassen der Antragstellung einen lebensbedrohenden
Risiko auszusetzen. Dies gilt insbesondere auch für die Antragstellerin zu 1.
die eine Sterilisation ihres Tieres grundsätzlich ablehnt und deshalb von vorne
herein keine Erlaubnis erhalten kann. Die Situation der Antragstellerin zu 1. gleicht
ersichtlich der Fallkonstellation, über die der VGH Kassel zu entscheiden hatte
(a.a.O., 11 NG 2500/00), wo der VGH schwere Nachteile im Sinne vom § 47 Abs. 6
VwGO überzeugend wie folgt begründete: “Der Vollzug dieser Bestimmung in Verbindung mit weiteren
Regelungen der Gefahrenabwehrverordnung
(insbesondere Gebot der Unfruchtbarmachung, § 10) würde für die betroffenen
Hundehalter und –züchter vollendete, irreparable Tatsachen schaffen, obgleich
nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage sehr zweifelhaft ist, ob die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Gefahrenabwehrverordnung gefährlicher Hunde sich im Rahmen der Normenkontrolle
als rechtmäßig erweisen werden.” Der Hessische VGH hat ferner zutreffend erkannt, daß der
allgemeine Leinen- und Maulkorbzwang jedenfalls nach Bestehen einer Wesensprüfung
keinen Bestand mehr haben kann und hat mit dieser Begründung den allgemeinen
Leinen- und Maulkorbzwang vorläufig außer Vollzug gesetzt (S. 20). Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung, daß ein
allgemeiner Leinen- und Maulkorbzwang nicht mehr weiter akzeptiert werden kann,
folgt aus dem vorgelegten fachwissenschaftlichen Stellungnahmen, wonach der
Leinen- und Maulkorbzwang schwerwiegende Verhaltensstörungen induzieren kann.
Über die Hauptsacheklage wird erst in ferner Zukunft rechtskräftig entschieden
werden. Es ist nicht tolerierbar, daß die Tiere bis zu diesem Zeitpunkt
schwerwiegenden Schaden erleiden. Schließlich ist es auch nicht hinzunehmen, daß die
Antragsteller stigmatisiert werden, obwohl ihre Tiere nachweislich ungefährlich
sind. Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit |