Hund und Halter e.V. |
Rechtsanwalt Volker Stück Normenkontrollantrag & einstweilige Anordnung gem. § 47 Abs. 1 Ziff. 2 , 8 VwGO vom 23. Juli 2000
1. weiteren aufsichtführenden Richters am Amtsgericht Eschwege Günter XXXXX, XXXXXXXXX-Str. 43, 37287 Wehretal 1 2. Lehrerin i.R. Katharina XXXXXX, XXXXXXXX. 37269 Eschwege 3. Verkäuferin Ursula XXXX, XXXXXXXXX, 37276 Meinhard 4. Justizvollzugsbeamten Uwe XXXX, XXXXXXXXX,37269 Eschwege 5. Finanzbuchhalterin Heike XXXX, XXXXXXXXX, 37276 Meinhard 6. Betriebswirts Ulrich XXXX, XXXXXXXXX, 37217 Witzenhausen Ermschwerd 7. Automobilverkäufers Torsten XXXX und Krankenschwester Simone XXXX, XXXXXMeinhard 8. Betriebswirts Horst XXXX, XXXXXXXXX,37269 Eschwege 9. Zahnarztes Dr. Helmut XXXX, XXXXXXXXX, 37242 Bad Sooden-Allendorf 10.Kaufmanns Reiner XXXX, XXXXXXXXX, 1, 37242 Bad Sooden-Allendorf 11.Klima-Ingenieurs M. XXXX, XXXXXXXXX, 37242 Bad-Sooden-Allendorf 12.Kfz-Meisters Frank XXXX, XXXXXXXXX,37242 Bad Sooden Allendorf 13.Maurers Erhard XXXX, XXXXXXXXX,37287 Wehretal-Langenhain
- Antragsteller (vorerst) - Verfahrensbevollmächtigter: RA Volker Stück, Liebigstr. 6, 34125 Kassel gegen den Hessischen Minister des Inneren und für Sport, Herrn Volker Bouffier, Friedrich-Ebert-Allee 12, 65185 Wiesbaden
- Antragsgegner - wegen:
Ungültigkeit der „Gefahrenabwehrverordnung über Hunde
vom 05.07.2000 Streitwert: 8.000,-- DM Namens und in Vollmacht der Antragsteller bitte ich um baldige Anberaumung eines Verhandlungstermins, in dem ich beantragen werde, für Recht zu erkennen: 1.
Die Gefahrenabwehrverordnung über Hunde mit gesteigerter
Aggressivität und Gefährlichkeit (Kampfhunde-VO) vom 05.07.2000 ist
nichtig. 2.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Im Hinblick auf die Dringlichkeit wird nach § 47 Abs. 8 VwGO im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt: 1.
Die
Gefahrenabwehrverordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und
Gefährlichkeit (Kampfhunde-VO) vom 05.07.2000, in Kraft seit dem
15.07.00, wird einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache außer
Vollzug gesetzt. 2.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Begründung: A. Der Antragsgegner hat den tragischen Fall in Hamburg-Wilhelmsburg vom 26.05.2000, bei dem zwei Hunde eines mehrfach vorbestraften (u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung (3 x), Raub (2 x), schwerem Diebstahl (2 x), Widerstand gegen die Staatsgewalt und Beleidigung (2 x) Drogenhandel) und den Behörden seit langem einschlägig bekannten Bürgers namens Ibrahim K. einen sechsjährigen türkischen Jungen namens Volkan K. zu Tode bissen, zum Anlaß genommen, die streitgegenständliche Gefahrenabwehrverordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (Kampfhunde-VO) aufgrund § 72 Abs. 1 HSOG zu erlassen. Diese ist zum 15.07.00 in Kraft getreten. In diesem Fall war der Hund als aggressiv behördenbekannt und es war Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet worden, der Vollzug aber zu keiner Zeit kontrolliert worden. Mit anderen Worten: Nicht fehlende rechtliche Instrumente waren ursächlich, sondern das völlige Versagen der Exekutive beim Vollzug und zwar sowohl in Beziehung gegenüber Halter Ibrahim K. als auch dessen Hunden. Da sich die Antragsteller nicht die tendenziell negative und sachlich ungerechtfertigte Bezeichnung der Verordnung aufdrängen lassen wollen, wird im folgenden schlicht und neutral von „Verordnung“ bzw. „Hund“ gesprochen. B. Der Antrag ist zulässig nach §§ 47 VwGO, 13 HessAGVwGO. Der Antragsteller zu 1. (G. Stück) ist Eigentümer und Halter eines 4 ½ jährigen American Staffordshire Terrier Rüden namens Chico. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen und ist dem Unterzeichner aus eigener Kenntnis bestens bekannt. Die Antragstellerin zu 2. (K. XXXXXX )ist Eigentümerin und Halterin einer Staffordshire Terrier Mix Hündin namens Tessa. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Die Antragstellerin zu 3. (U. XXXXXX) ist Eigentümerin und Halterin eines Pitbull Terrier Rüden namens Hero. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 4. (U. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines Bull Terrier Rüden namens Jason. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Die Antragstellerin zu 5. (H. XXXXXX) ist Eigentümerin und Halterin einer Bordeaux Dogge namens Bjuca. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 6. (U. XXXXXX) ist Eigentümer, Halter und Züchter zweier Fila Brasileiro. Die Hunde sind bisher in keiner Weise aufgefallen. Die Antragsteller zu 7. (Eheleute XXXXXX) sind Eigentümer und Halter eines Bull Terrier sowie eines American Pitbull Terrier. Die Hunde sind bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 8. (H. XXXXXX) ist Eigentümer, Halter und Züchter eines Mastiffs. Zur Vorbereitung der Zucht hat er sein Grundstück für Kosten von ca. 10.000 DM speziell einzäunen lassen und Vorbereitungen getroffen (Planung eines Hunde-/Welpenaufziehhauses mit spez. Infrarot-Beleuchtung etc.). Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 9. (Dr. H. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines Staffordshire Bull Terrier Rüden. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 10. (R. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines Mastino Napoletano. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 11. (M. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines Fila Brasileiro. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 12. (F. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines Bullterrier. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Der Antragsteller zu 13. (E. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines
Bullterrier. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen. Sämtliche Antragsteller verfügen über einen tadellosen Leumund, haben feste Wohnsitze und üben ehrbare Berufe aus. Erkennendes Gericht und Antragsgegener können ohne jeden Zweifel davon ausgehen, daß keiner von Ihnen seinen Hund aus „Imponiergehabe, Aggressionslust, Kompensationsbedarf bei Ich-Schäche und Verantwortungslosigkeit“ (so Kollege RA Schily anläßlich der „Kamphunddebatte“ im Bundestag am 30.06.00) oder aus „Persönlichkeitsproblemen“ (so Kollege RA Westerwelle anläßlich vorgenannter Debatte) erworben hat, ihn aus diesen Gründen hält oder Züchtung und Handel betreibt. Vielmehr handelt es sich bei sämtlichen Antragstellern um verantwortungsbewußte Hundehalter, die die erhobenen Vorwürfe entschieden von sich weisen und hiergegen mit den allen legalen Mitteln vorgehen werden. Da die Antragsteller allesamt Eigentümer und Halter bzw. Züchter eines bzw. mehrerer Hunde der in § 1 der Verordnung genannten Rassen sind, sind sie durch die am 15.07.00 in kraft getretene Verordnung gegenwärtig, unmittelbar und nachhaltig beschwert i.S.d. § 47 Abs. 2 VwGO. C. Der Antrag ist auch begründet. Die Verordnung ist in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig und daher nichtig. Sie verstößt gegen höherrangiges zwingendes Recht, was nach § 75 Abs. 1 Satz 1 HSOG nicht zulässig ist und die Unwirksamkeit zur Rechtsfolge hat. Die Antragsteller begehren mit dem vorliegenden Normenkontrollantrag, gestützt auf §§ 47 VwGO, 13 HessAGVwGO, die Feststellung der Nichtigkeit im Hauptsacheverfahren. Im einzelnen werden
folgende Rechtsverstöße gerügt: I. § 1 Abs. 1 der Verordnung ist willkürlich, mit Art 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren und damit rechtswidrig. Dort werden im Wege einer „Legaldefinition“ 16 Hunderassen durch den Antragsgegner per se - ohne jegliche Begründung in der sog. „Begründung“ der Verordnung - und ohne Zulassung von Ausnahmen als Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (sog. Kampfhunde) definiert. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches nicht ungleich oder wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich zu behandeln. Mit dem Willkürverbot ist eine staatliche Regelung nur dann vereinbar, wenn die in ihr vorgenommene Differenzierung sich auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden sachlichen Grund zurückführen läßt (BVerfGE 50, 57 (77)). Dies ist hier nicht der Fall, da 16 bestimmte Hunderassen ohne Entlastungsmöglichkeit genannt, andere aber (Doggen, Dobermänner, Rottweiler, Schäferhund, Deutsch Drahthaar, Boxer etc.) - selbst bei belastenden Umständen - nicht erfaßt werden (so auch Hamann in Deutsche Verwaltungspraxis 1998, Heft 11, U 3 = S. 481; OVG Magdeburg vom 18.03.1998 - A 2 S 317/96-; OVG Saarlouis vom 01.12.1993 - 3 N 3/93 -; VGH Mannheim in NVwZ 1992, 1105 mit Anm. von Hamann in NWvZ 1993, 250). Es entspricht gesicherter kynologischer Erkenntnis, daß es keine Hunderasse gibt, die von Natur aus oder genetisch aggressiv und kämpferisch veranlagt ist. Der Hund ist - wie der Mensch auch - ein soziales Wesen und im wesentlichen vom Sozialisationsprozess geprägt. Es kommt mithin auf den Halter an, was aus einem Hund wird. Beweis: 1.
Sachverständigengutachten der Fr. Dr. Helga Eichelberg,
2. Sachverständigengutachten der Fr. Dr. Dorit Urd Feddersen
Petersen,
Fachtierärztin für Verhaltenskunde, Institut für Haustierkunde,
3. Broschüre „Kampfhunde“ ? Gefährliche Hunde ? 2. Aufl.
1998;
4. Sachverständiges Zeugnis Herrn Prof. Dr. Alexander Herzog, Auch die deutsche Beißstatistik (Quelle Deutscher Städtetag; Basis: 93 Städte) zeigt ein anderes Bild als die Verordnung des Antragsgegners. Angeführt wird sie eindeutig von Mischlingen (2376 Bisse) und Deutschen Schäferhunden (1958 Bisse) vor Rottweilern (542 Bisse). Von den in der Verordnung genannten Rassen, sind einige überhaupt nicht erfaßt, die meisten anderen unter „ferner liefen“. Angesichts dessen ist die Behauptung des Antragsgegners in den Durchführungsbestimmungen zu seiner Verordnung „bei diesen 16 Rassen handelt es sich sämtlich um Hunde, denen eine hohe Aggressivität bescheinigt wird und die grundsätzlich als gefährlich einzustufen sind“ (Anm.: Unterstreichungen des Unterzeichners) um eine wissenschaftlich bzw. kynologisch nicht haltbare und juristisch unsubstantiierte Floskel. So hat z.B. der Club für Molosser e.V./Frankfurt a.M. eine eingereichte Mappe mit Informationsmaterial über die Rasse vom Antragsteller mit der Bemerkung zurückerhalten, er sei „an wissenschaftlichen Ausführungen nicht interessiert“. Diese Bemerkung bedarf keiner weiteren Kommentierung und spricht für sich. Beweis: Zeugnis
des 1. Vorsitzenden Herrn Peter XXXXXX, XXXXXX, Insoweit stellt es schon kein rechtlich und sachlich anerkennenswertes Differenzierungskriterium dar, die Gefährlichkeit - erst recht nicht unwiderlegbar - an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse zu koppeln, weshalb hier - offensichtlich unter dem Druck der öffentlichen oder veröffentlichen Meinung und um von eigenem Versagen in der Vergangenheit abzulenken - eine willkürliche Auswahl getroffen wurde. Bereits mit der Rechtswidrigkeit von § 1 fällt auch der Rest der Verordnung. Die weiteren Ausführungen erfolgen nur vorsorglich und hilfsweise: II. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ist rechtswidrig. Danach darf ein in der Verordnung genannter Hund außerhalb des eingefriedeten Besitztums sowie in Häusern mit mehreren Wohnungen nur an der Leine und (kumulativ) mit Maulkorb geführt werden. 1. Die Rechtswidrigkeit folgt zum einen daraus, daß das ausnahmslos - erfaßt werden auch Welpen und kranke Tiere - vorgeschriebene Tragen von Maulkörben mit dem geltenden Tierschutzgesetz unvereinbar ist. Dies widerspricht dem Grundsatz des § 1 TierschutzG und verstößt gegen § 2 TierschutzG. Eine solche Maßnahme ist aus Sicht des Tierschutzes - auch nach übereinstimmender Auffassung der Tierärzteschaft - medizinisch nicht vertretbar, da Hunde einen Temperaturausgleich nur über die Atmung mit geöffnetem Fang unter Einbeziehung der Zunge regulieren können. Gerade dies wird durch den Zwang zum Tragen eines Maulkorbs erschwert bzw. unmöglich gemacht. Der Antragsgegner setzt sich damit über anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse hinweg und bricht geltendes Recht, weil er eine artgerechte Haltung nachhaltig ausschließt. Beweis: 1. Einholung eines kynologischen Sachverständigengutachtens.
2. Stellungnahme des Bundesverbandes Praktischer Tierärzte e.V. 2. Zum anderen folgt die Rechtswidrigkeit unmittelbar aus § 71 HSOG bzw. dem allgemeinen Prinzip der Verhältnismäßigkeit (vgl. nur BVerfGE 30, 292, 315 ff.; BVerwG in DÖV 1971, 858; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 17). Das ausnahmslose - erfaßt werden selbst Welpen und kranke Tiere (eine tierärztlich indizierte Befreiung ist nicht möglich !)- und lebenslange Tragen von Maulkörben mag zwar zur Vermeidung eines Bisses an sich geeignet sein, es ist aber keinesfalls generell erforderlich. Erforderlich im Sinne des öffentlichen Rechts ist eine Maßnahme nur dann, wenn sie die ultima-ratio ist, es also keine milderen Mittel gibt. Wenn ein Hund - z.B. nach einem Test - als gutmütig beurteilt wird und sein Halter zuverlässig ist, so ist nicht im Ansatz einzusehen, warum er lebenslang zum Tragen eines Maulkorbes außerhalb der Wohnung bzw. seines Grundstücks seines Halters gezwungen werden sollte. Erforderlich wäre das lebenslange und ausnahmslose Tragen eines Maulkorbs nur dann, wenn ein Hund bösartig ist. Nach positiv bestandener Prüfung, bei Welpen oder tierärztlicher Indikation ist der Maulkorbzwang in jedem Fall aufzuheben. Allein das Fehlen jeglicher Ausnahmetatbestände begründet die Rechtswidrigkeit. Die tragischen Vorfälle der letzten Tage, egal von welcher Rasse (tödlich gebissen haben z.B. auch Rottweiler), sind auf frei umherlaufende Hunde zurückzuführen. Eine Verpflichtung zum Anleinen jedes Hundes wäre als Mittel geeignet, aber auch völlig ausreichend, derartige Vorfälle künftig zu vermeiden. Des zusätzlichen Anlegens eines Maulkorbes bedarf es dann nicht mehr. Nach Auffassung der
Antragsteller reicht das in der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten
von Hunden (HundeVO) vom 15.08.1997 (GVBl. Teil I S. 279) enthaltene
Instrumentarium völlig aus, um gefährlichen und aggressiven Hunden,
gleich welcher Rasse, Herr zu werden. Das Problem liegt nicht im Fehlen
wirksamer Normen, sondern allein bei dem dem Antragsgegner und seinen Behörden
zuzuordnenden mangelhaften Vollzug des bisher vorhandenen
Instrumentariums (vgl. den eingangs erwähnten Hamburger Fall). Auch
insoweit erweist sich die neue Verordnung als nicht erforderlich. III. § 3 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung ist evident rechtswidrig. Hier werden die Halter eines Hundes unter Androhung einer Ordnungswidrigkeit gezwungen, sich und ihre Behausung durch ein leuchtend rotes Warnschild im Mindestformat 15 x 21 cm mit der deutlich lesbaren Aufschrift „Vorsicht, gefährlicher Hund!“ zu kennzeichnen. Warum und in welcher Weise dieses erzwungene „Outen“ erforderlich zur Gefahrenabwehr sein soll, bleibt allein das Geheimnis des Antragsgegners. Ein in einem Haus/Grundstück sicher (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 ) gehaltener Hund kann von vornherein keine abwehrenswerte Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, es sei denn, es sollen unbefugt Eindringende (z.B. Einbrecher) vorsorglich gewarnt werden vor einem pflichtbewußten Hund, egal welcher Rasse. Die staatliche Fürsorgepflicht gegenüber Rechtsbrechern scheint hier offensichtlich weiter zu gehen, als das Verständnis für rechtschaffene und verantwortungsbewußte Hundehalter. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es allein, die Halter zum verachtenswerten Objekt (= „Vorsicht, gefährlicher Mensch/Hundehalter“) und Ziel öffentlicher Angriffe und ggf. Straftaten (Sachbeschädigungen, Beleidigungen etc.) zu machen, sie zu stigmatisieren, diskriminieren, sowohl Halter als auch Hund systematisch auszugrenzen und sie derart zu zermürben, so daß sie sich - „freiwillig“ - von ihrem Hund trennen. Der Antragsgegner kann versichert sein, daß sich diese Hoffnungen nicht erfüllen werden. Diese Bestimmung verstößt massiv gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie das höchstrichterlich anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 42) der Antragsteller. Diese werden unter Androhung einer Geldbuße bis zu 10.000,-- DM (§ 77 Abs. 1 HSOG) gezwungen, sich selbst in ihren Rechten zu verletzen, indem sie das Schild anbringen müssen. Die zuständige Staatsanwaltschaft werden zu klären haben, ob hierdurch nicht die Tatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfüllt sind. Entsprechende Strafanzeigen wurden gestellt. Hier wird ganz offensichtlich über das Ziel der Gefahrenabwehr gefährlicher Hunde hinausgeschossen, so daß eine Diskriminierung der Halter von 16 Hunderassen vorprogrammiert ist. Nachdem es in diesem Land vor erst 60 Jahren dazu kam, daß Menschen sich selbst, ihre Geschäfte und Wohnungen kennzeichnen mußten (z.B. mit gelben Sternen, Schildern), ist eine derartige Anordnung nicht nur eine politische Instinktlosigkeit ohne Beispiel, sondern auch eine rechtliche Ungeheuerlichkeit, der schnellstmöglich Einhalt zu gebieten ist. Sollte es zu Pogromen gegen die gebrandmarkten Hundehalter kommen, so wird der Antragsgegner nicht nur die politische, sondern auch die straf- und zivilrechtliche Verantwortung zu übernehmen haben. Die ersten Vorfälle, in denen Hundehalter angespuckt und mit Steinen beworfen wurden, sind bereits aufgetreten. IV. § 3 Abs. 3 der Verordnung ist rechtswidrig. Dort wird bestimmt, daß die Hunde ausnahmslos zu kastrieren oder zu sterilisieren sind. 1. Die Bestimmung ist nicht erforderlich i.S.d. § 71 HSOG bzw. des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Eine Sterilisation oder Kastration könnte allenfalls bei Hunden angebracht sein, die im Wesenstest versagt haben, um zu verhindern, daß sich ihre möglicherweise negativen Anlagen fortpflanzen. Bei gutmütigen Hunden ist eine generelle Kastration und Sterilisation aber von der Sache her überhaupt nicht geboten. Gerade hier wäre eine Weitergabe der positiven Anlagen wünschenswert, was durch die Verordnung aber verhindert wird. Hier wird die Intention des Antragsgegners überdeutlich: Im geht es in der Sache nicht um eine wirksame Gefahrenabwehr, die allein das HSOG zum Ziel hat, sondern um die komplette und nachhaltige Ausrottung der 16 Rassen. 2. Zudem widerspricht dies in grobem Maße dem TierschutzG i.d.F.
29.05.1998 (BGBl Teil I, S. 1106 ff.) 3. Die Bestimmung verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG, weil es die Berufsfreiheit der züchtenden Hundehalter beeinträchtigt, ja unmöglich macht. Das Züchten von Hunden ist als Beruf anzusehen, wovon selbst der Antragsgegner ausgeht. Legt man die vom BVerfG entwickelte 3-Stufen-Prüfung (BVerfGE 7, 377) zu Grunde, so handelt es sich nicht nur um eine bloße Berufsausübungsregel, sondern um eine objektive Berufswahlregel. Bei einer Anwendung der Verordnung würde das „Ob“ des Züchtens der 16 Rassen tangiert. Da die Anordnung des Kastrierens und Sterilisierens unabhängig von der Gutmütigkeit es Hundes und der Zuverlässigkeit des Halters und Eigentümers ist, handelt es sich um eine objektive Berufswahlregel. Derartige objektive Zulassungsschranken sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut notwendig sind. Diesen Anforderungen genügt die generelle Anordnung einer Kastration oder Sterilisation nicht, zumal hiervon auch gutmütige Hunde betroffen sind. 4. Die Bestimmung verstößt ferner gegen Art 14 Abs. 1 GG. Die generelle Anordnung der Kastration und Sterilisation, insbesondere nach positiv bestandenem Wesenstest, stellt eine zielgerichtete und unmittelbare Eigentumsbeeinträchtigung dar. Sie dient nicht dem Wohl der Allgemeinheit und ist unverhältnismäßig. Zudem ist keine Entschädigung der Halter/Eigentümer vorgesehen. Enteignungsgleiche Eingriffe sind nur unter diesen Maßgaben zulässig. Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für § 2 (Erlaubnispflicht) der Verordnung i.V.m. der „Durchführung der Gefahrenabwehrverordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 05.07.2000, S. 3, II. Ziff. 6, wonach der Nachweis der Kastration oder Sterilisation des Hundes Voraussetzung für die erforderliche Haltererlaubnis sein soll. V. § 4 Satz 1 der Verordnung ist ebenfalls wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art 14 GG rechtswidrig. Nach dieser Bestimmung sind Zucht und Handel mit den Hunden verboten, ohne daß die Möglichkeit einer Erlaubniserteilung besteht. Entgegen der rechtsirrigen Auffassung des Antragsgegners handelt es sich hierbei nicht nur um eine bloße Berufsausübungsregel, sondern richtigerweise um eine objektive Zulassungssperre, die höhere Anforderungen bedingt. Hier sei auf die vorstehenden Ausführungen (IV.) verwiesen. VI. Angesichts von Umfang und Intensität der Rechtsverletzung ist weiter davon auszugehen, daß derartige Eingriffe - sollten sie überhaupt zu rechtfertigen sein - aufgrund eines Gesetzes (§ 72 HSOG) von der Exekutive nicht durch Verordnung hätten vorgenommen werden dürfen, sondern nach der sog. Wesentlichkeitstheorie in jedem Fall eines parlamentarischen Gesetzes bedurft hätten. Auch dies führt zu Unwirksamkeit der Verordnung. D. Der Antrag nach § 47 Abs. 8 VwGO auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist geboten, da die Antragsteller durch die Anbringung des Warnschildes gegenwärtig massivst in ihren Menschen- und Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt werden, der Zwang zum Anlegen des Maulkorbes gegen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes verstößt und die geforderte Kastration und Sterilisation einen nicht wieder zu beseitigenden Rechtsverlust bedeutet. Damit drohen den Antragstellern nicht nur schwere und irreparable Nachteile, sie sind schon jetzt unmittelbar und gegenwärtig betroffen. Sollte das erkennende Gericht weiteren Vortrag zur Sach- oder Rechtslage sowie die Bezeichnung weiterer Beweismittel für erforderlich erachten, so wird höflich um rechtzeitige Erteilung eines richterlichen Hinweises gem. § 86 Abs. 3 VwGO gebeten. Weiterer Vortrag bleibt ausdrücklich vorbehalten. Die fehlenden Vollmachten werden umgehend nachgereicht. Demnach wird antragsgemäß zu erkennen sein. Schließen möchte ich mit zwei Zitaten: Konrad Lorenz
(Verhaltensforscher): „Die Treue
eines Hundes ist ein kostbares Geschenk, daß nicht minder bindende
moralische Verpflichtungen auferlegt, als die Freundschaft eines
Menschen“. sowie Johann Wolfgang Goethe (Jurist und Dichter): „Dem Hunde, wenn er gut erzogen, wird selbst ein weiser Mann gewogen“ (Faust I). In diesem Sinne ! Volker Stück [Rechtsanwalt] |