Hund und Halter e.V.

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Rechtsanwalt

Volker Stück

Tel. 0561 - 874268

 

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

z.H. RiVGH Hessen Höllein

Brüder-Grimm-Platz 1

34117 KASSEL

29. Juli 2000

25.07.00                                 VGH 01/00                              05631 - 58 14 32

In dem

Normenkontrollverfahren & einstweilige Anordnung gem. § 47 Abs. 1 Ziff. 2 , 8 VwGO

Günter XXXXX u.a. ./. Land Hessen

 

- 11 N 2497/00 - Hauptsache

- 11 NG 2500/00 - einstweilige Anordnung

Termin: n.n.

schließen sich den anhängigen Verfahren weiter folgende Antragsteller an:

14. Mechaniker Martin XXXXX,XXXXXX, 36205 Sontra-Berneburg

15. Industriekauffrau Beate XXXXX,XXXXXX, 37281 Wanfried

16. Technischer Angestellter Stephan XXXXX,XXXXXX, 37269 Eschwege

17. Rentner Wilfried XXXXX,XXXXXX, 37242 Bad Sooden Allendorf

18. Handelsvertreter Wolfgang XXXXX,XXXXXX, 37242 Bad Sooden Allendorf

Zu korrigieren ist der Name des Antragstellers zu 10.. Folgende Bezeichnung ist zutreffend:

10. Kaufmann Rainer XXXXX,XXXXXX, 37242 Bad Sooden-Allendorf

I.

Der Antragsteller zu 14. (M. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines Staffordshire Bull Terrier. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen und hat kürzlich den Wesenstest, durchgeführt von einem Experten des Verbandes Deutsches Hundewesen (VDH), positiv bestanden.

Beweis:          1. Zeugnis des Antragstellers zu 14.

                        2. Sachverständiges Zeugnis des abnehmenden VDH Experten, Herrn
                            Karl Krug, Oberzwehrener Str. 59, 34132 Kassel.

                        3. Vorlage des positiven Zeugnisses im Termin.

Die Antragstellerin zu 15. (B. XXXX) ist Eigentümerin und Halterin eines American Staffordshire Terrier. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen.

Der Antragsteller zu 16. (S. XXXXX) ist Eigentümer und Halter eines American Staffordshire Terrier. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen.

 Der Antragsteller zu 17. (W. XXXXXX) ist Eigentümer und Halter eines American Staffordshire Terrier. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen.

 Der Antragsteller zu 18. (W. XXXXX) ist Eigentümer und Halter eines American Staffordshire Terrier. Der Hund ist bisher in keiner Weise aufgefallen.

 Sämtliche Antragsteller verfügen über einen tadellosen Leumund, haben feste Wohnsitze und üben bzw. übten ehrbare Berufe aus. Erkennendes Gericht und Antragsgegner können ohne jeden Zweifel davon ausgehen, daß keiner von Ihnen seinen Hund aus „Imponiergehabe, Aggressionslust, Kompensationsbedarf bei Ich-Schwäche und Verantwortungslosigkeit“ (so Kollege RA Schily anläßlich der „Kamphunddebatte“ im Bundestag am 30.06.00) oder aus „Persönlichkeitsproblemen“ (so Kollege RA Westerwelle anläßlich vorgenannter Debatte) erworben hat, ihn aus diesen Gründen hält oder Züchtung und Handel betreibt. Vielmehr handelt es sich bei sämtlichen Antragstellern um verantwortungsbewußte Hundehalter, die die erhobenen Vorwürfe entschieden von sich weisen und hiergegen mit den allen legalen Mitteln vorgehen werden.

Beweis:           Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse.

II.

Der Antragsteller zu 10., Kaufmann Rainer XXXXX, ist Inhaber des traditionsreichen Hotels und Restaurant „XXXXX“ im Kurviertel von Bad Sooden Allendorf, XXXXX X, wo er auch seinen Wohnsitz hat. Er ist Halter zweier friedlicher Mastino Napoletano.

Beweis:           Augenscheinseinnahme vor Ort.

Dadurch, daß er nach § 3 Abs. 2 VO gezwungen wird, an jedem Zugang zu seinem Besitztum ein leuchtend rotes Warnschild im Mindestformat 15 x 21 cm mit der deutlich lesbaren Aufschrift „Vorsicht, gefährlicher Hund!“ anzubringen, wird sein ausgeübter und eingerichteter Gewerbebetrieb nachhaltig beeinträchtigt. Eine derartige Kennzeichnung führt dazu, daß Kurgäste und andere Gäste um sein Hotel und Restaurant einen Bogen machen, obwohl hierzu keinerlei gerechtfertigte Veranlassung besteht. Die Hunde haben keinen Zugang zu den der Öffentlichkeit zugänglichen (Gast-) Räumen, sondern befinden sich im räumlich abgetrennten Büro, der privaten Wohnung im Hotelkomplex oder dem mit einem großen Zaun abgegrenzten Hof.

Beweis:           Wie vor.

Hierin liegt eine erhebliche, nachhaltige und unverhältnismäßige Beeinträchtigung in seinen Grundrechten aus Art 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 sowie Art 2 Abs. 1 GG. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die durch entgangenen Gewinn entstehen werden, bleibt ausdrücklich vorbehalten.

III.

Der Antragsteller zu 6., Betriebswirt Ulrich XXXXX, ist Eigentümer, Halter und Züchter in spe zweier Fila Brasileiro. Durch die in der Verordnung ausnahmslos vorgesehene Kastration und Sterilisation wird die beabsichtigte Zucht vereitelt. I

In seinem Interesse - aber auch im Interesse der anderen Antragsteller - wird eindringlich darum ersucht, daß ausnahmslose und von einer tierärztlichen Indikation unabhängige Gebot der Kastration und Sterilisation (§ 3 Abs. 3 VO), eine Voraussetzung, um die Haltererlaubnis (§ 2 VO) zu erlangen, im Wege der einstweiligen Anordnung schnellstmöglich außer Vollzug zu setzen.

Die Anträge auf die Haltererlaubnis sind bis zum 15.08.00 bei den örtlichen Ordnungsämtern zu stellen, was die besondere Eilbedürftigkeit begründet. Sollte sich die Verordnung später erwartungsgemäß als nichtig erweisen, so wäre den Antragstellern, insbesondere den Züchtern oder Züchtung beabsichtigenden, ein nicht wieder gutzumachender Nachteil entstanden. Hierbei muß Berücksichtigung finden, daß es sich zu einem großen Teil um wertvolle Rassehunde handelt.

Für den Fall, daß ein Hund den Wesenstest positiv besteht, sein Halter zuverlässig ist etc. besteht kein sachlich und auch rechtlich anerkennenswerter Grund zur Kastration und Sterilisation.

Sollte ein Hund tatsächlich als gefährlich eingestuft werden, so ändert an diesem Zustand seine Kastration und Sterilisation überhaupt nichts. Zur Gefahrenabwehr wäre ein derartiger Eingriff von vornherein ungeeignet und untauglich. Da der das gesamte öffentliche Recht beherrschende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in 3 Stufen geprüft wird (1. Stufe: Eignung zur Erreichung des Zwecks, 2. Stufe: Erforderlichkeit i.S.v. ultima-ratio bzw. kein milderes Mittel, 3. Stufe: Verhältnismäßigkeit i.S.v. Zweck-Mittel-Relation) ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Verordnung hier schon ohne weiteres auf der ersten Stufe.

Hieraus ergibt sich, daß alleiniges Ziel des Antragsgegners nicht die wirksame Gefahrenbekämpfung, sondern die Ausrottung - zuweilen hört man auch wieder den Begriff der von bürokratischer Hand geplanten „Endlösung“ - der betroffenen Rassen ist.

Zudem sprechen gegen einen Zwang zur ausnahmslosen Kastration und Sterilisation folgende Argumente:

1.    Operations- und Narkoserisiko, welches mit jeder Operation verbunden ist.

2.    Gesundheitsrisiko der dauerhaften Inkontinenz des Hundes sowie des damit verbundenen Hygieneproblems für die Halter.

3.    Gesundheitsrisiko des Übergewichts nach einer Kastration durch Störung des Stoff- und Hormonwechsels.

4.    Gefahr einer charakterlichen Änderung.

5.    Verstoß gegen das geltende TierschutzG (§§ 1 Satz 2, 5 ff.), welches es verbietet, einem Wirbeltier vermeidbare Schmerzen zuzufügen und gesundheitsbeeinträchtigende Eingriffe vorzunehmen. Beispielsweise wurde selbst das Kupieren von Ohren oder Schwanz - auch unter Narkose - unter Strafe gestellt. Der Eingriff, der mit einer Kastration oder Sterilisation verbunden ist, ist wesentlich intensiver.

Beweis:           Einholung eines tierärztlichen bzw. kynologischen 
                         Sachverständigengutachtens.

IV.

Als unverhältnismäßig erweist sich auch der zur Erlangung der Halteerlaubnis (§ 2 VO i.V.m. DurchführungsVO, erstellt am 06.07.00, S. 3 unter II. Ziff. 4.) geforderte Wesenstest. Dieser wird unabhängig von Alter, Entwicklungsgrad bzw. Reife der Rasse und des individuellen Hundes sowie dessen Erziehungsstandes gefordert. Daß diese undifferenzierte Forderung nicht sinnvoll sein kann und keinen wissenschaftlichen Kriterien standhält, liegt auf der Hand.

Beweis:          1. Sachverständigengutachten der Fr. Dr. Helga Eichelberg,
                             Zoologisches Institut der Universität Bonn.

                        2. Sachverständigengutachten der Fr. Dr. Dorit Urd Feddersen Petersen,                               Fachtierärztin für Verhaltenskunde, Institut für Haustierkunde,
                             Christian Albrecht Universität Kiel

                        3. Sachverständiges Zeugnis Herrn Prof. Dr. Alexander Herzog,
                             Präsident der Landestierärztekammer Hessen, PF 1409, 
                             65527 Niedernhausen

V.

In der Anlage beigefügt ist das Muster eines Fragebogens, den die Antragsteller zugesandt bekommen. Die Angaben unter „VI. Erklärung über die persönliche Zuverlässigkeit“ sind schlichtweg als unverschämt und dreist zu bezeichnen, wenn hierin nicht schon eine Formalbeleidigung liegt.

Die Antragsteller sind keine Schwerverbrecher oder Geistesschwachen, sondern rechtschaffene und steuerzahlende Bürger ! Sie verwahren sich mit aller Entschiedenheit hiergegen. Hingegen wäre es bei dem einen oder anderen Politiker, Minister oder Beamten durchaus interessant, ihm diese Fragen zu stellen, und sich von ihm den Nachweis der persönlichen Zuverlässigkeit erbringen zu lassen.

Ein anerkennenswertes Interesse an den abgefragten Angaben ist dem Antragsgegner unter keinen Umständen zuzuerkennen. Derart weitreichende und diskriminierende Fragen wurden dem Verfahrensbevollmächtigten selbst nicht vor seiner Einstellung als Referendar (nach Hessischen BeamtenG) oder bei der Zulassung als Rechtsanwalt (§ 7 BRAO) gestellt. Sie gehen auch weit über die Voraussetzungen z.B. des Wahlrechts oder der Wählbarkeit oder Bekleidung öffentlicher Ämter hinaus (§§ 13, 15 BWahlG i.V.m. § 45 ff. StGB). Allein dies zeigt, wie unverhältnismäßig die VO ist. Das erkennende Gericht vermöge sich an dieser Stelle einmal selbst in die Situation der Antragsteller versetzen und überlegen, ihm würden diese „Fragen“ gestellt.

Ausreichend ist allein ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis bzw. ein Rückgriff auf die Eintragungen im Bundeszentralregister (Dienststelle Bundeszentralregister, Neuenburger Str. 15, 10969 Berlin, Tel.: 030 - 25961; Fax: 030 - 252 41), womit die Antragsteller einverstanden sind.

Im Hinblick auf ihre unantastbare Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und ihre Persönlichkeitsrechte (Art. 2 GG) werden die Antragsteller deshalb die rechtswidrigen und ehrverletzenden Fragen nicht beantworten, sondern auf ihr tadelloses polizeiliches Führungszeugnis verweisen. Die im öffentlichen Dienst beschäftigten Antragsteller werden ergänzend auf ihre dienstlichen Beurteilungen und ihre Vorgesetzten verweisen. Deren Stellungnahme wird der Antragsgegner ja wohl nicht anzweifeln wollen.

Sollte der Antragsgegner seine Zuverlässigkeitsprüfung und die Markierung der Häuser nicht bald zurücknehmen, so wird die Zulässigkeit dieser diskriminierenden Maßnahmen auch zur Prüfung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg gestellt werden.

VI.

Die ladungsfähige Anschrift der benannten und anerkannten kynologischen Sachverständigen lautet:

·       Dr. Dorit Feddersen - Petersen, Institut für Haustierkunde, Olshausenstr. 40, 24118 Kiel.

Als weitere Sachverständige (kynologische Verhaltensforscherin) wird benannt

·       Frau Erika Trumler, Wolfswinkel HsNr. 1, 57587 Birken-Honigessen.

Der Antragsgegner wird aufgefordert, dem erkennenden Gericht und den Antragstellern mitzuteilen, auf welche Erkenntnisse er seine VO stützt. In der Begründung zu § 2 VO heißt es lapidar: „Die Regelung geht davon aus, dass die Haltung eines der in § 1 aufgeführten Hundes eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt, die ein Verbot der Haltung solcher Tiere rechtfertigt.“

Die Erklärung, worin die generelle und abstrakte Gefahr liegen soll, bleibt der Antragsgegner schuldig und er wird diesen Nachweis auch nicht erbringen können.

VII.

In der Anlage beigefügt sind bzw. nachgereicht werden die Vollmachten der Antragsteller zu. 3. (U. XXXXX), 6. (U. XXXXX), 14. (M. XXXXXXX), 15. (B. XXXXXX), 16. (S. XXXXXX) sowie 17. (W. XXXXXX).

 

Volker Stück

[Rechtsanwalt]



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